Kaum begonnen, ging der am Freitagvormittag vor dem Militärgericht im schweizerischen Sion (dt. Sitten) gegen einen Waadtländer Rojava-Aktivisten gestartete Prozess mit einem Freispruch auch schon zu Ende. Der Richter sah keine Beweise dafür, dass der Internationalist sich in der Autonomieregion Nord- und Ostsyrien am Kampf gegen die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) beteiligt hätte – und sich damit der „Beeinträchtigung der Verteidigungskraft der Schweiz“ wegen eines vermeintlichen Militärdienstes im Ausland, wie die Anklage der Staatsanwaltschaft lautete, schuldig gemacht haben könnte. Das Gericht bewertete die Beweise als unzureichend, und auch vom Nachrichtendienst des Bundes (NDB) eingeholte Unterlagen, in denen mehrmals die „Zugehörigkeit“ des Aktivisten zur radikalen Linken und sein politisches Engagement erwähnt werden, hielten der Prüfung durch die schweizerische Justiz nicht stand. Die Kosten des Verfahrens sowie die Anwaltskosten gehen zu Lasten des Bundes.
Anklage forderte bis zu drei Jahre Haft
Zwar hielt sich der angeklagte Aktivist tatsächlich zwischen 2015 und 2016 etwa ein halbes Jahr lang in Rojava auf, wie der Richter betonte. Auch hob er dessen „Sympathie für die kurdische Sache“ und seine „internationalistischen Ideale“ hervor. Ihn interessiere aber nur, ob der Beschuldigte im Ausland eine Waffe getragen habe oder nicht – alles andere sei Politik. „Solange es keine Beweise gibt, gibt es hier für mich nichts zu entscheiden.“ Die Anklage hatte zunächst ein Strafmaß von bis zu drei Jahren für den Internationalisten gefordert, musste am Ende dann selbst auf Freispruch aufgrund mangelnder Beweise plädieren. Die Staatsanwaltschaft betonte, es habe sich nicht um einen politischen Prozess gehandelt.
Kundgebung vor dem Gerichtsgebäude
Politisch motivierter Verfolgungseifer bei Behörden
Dem widersprach die Verteidigung des Angeklagten vehement und machte auf die „ganz offensichtlichen politischen Dimensionen“ des Verfahrens aufmerksam. Die Ermittlungen zogen sich bereits mehrere Jahre hin – genau genommen seit der Rückkehr des Internationalisten aus Rojava in die Schweiz. Auch habe es eine polizeiliche Hausdurchsuchung in dem Zusammenhang bei dem Angeklagten gegeben, genügend Beweise seien dennoch in all den Jahren nicht gefunden worden. Der Aktivist hätte sich zudem bis zuletzt geweigert, Aussagen gegenüber Polizei und Staatsanwaltschaft zu machen. Dass es dennoch zu dem Prozess kam, zeige einen politisch motivierten Verfolgungseifer der Sicherheitsbehörden auf - dessen Wurzel in den schweizerisch-türkischen Beziehungen liegen dürfte. Der Angeklagte selbst betonte zum Abschluss, wie wichtig der „revolutionäre und antifaschistische Internationalismus sowie die Unterstützung Rojavas für uns alle“ sei.
„Internationalismus kennt keine Neutralität“
Der Prozess wurde solidarisch begleitet, vor dem Gerichtsgebäude fanden sich vor dem Verhandlungsbeginn rund 100 Menschen aus verschiedenen Organisationen zu einer Kundgebung zusammen. Unter den Beteiligten, die aus verschiedenen Regionen der Schweiz, aber auch aus Deutschland und Belgien anreisten, waren Mitglieder der Demokratischen Kurdischen Gemeinde in der Schweiz (CDK-S), der Secours Rouge (Rote Hilfe), der basisdemokratischen Gewerkschaft FAU, der internationalen Kampagne #RiseUp4Rojava und vom Revolutionären Aufbau. Viele, die gekommen waren, hatten sich in den vergangenen Tagen und Wochen an einer Solidaritätskampagne für den Angeklagten und Aktionstagen beteiligt, mit denen der Prozess angeprangert wurde. „Internationalismus kennt keine Neutralität“ lautete das Motto der Aktionen – in Anspielung auf den Vorwurf der Anklage, der beschuldigte Aktivist hätte im Zusammenhang mit der behaupteten Tat – dem Kampf gegen den IS – die „Neutralität der Schweiz“ untergraben.
Repression gegen die revolutionäre Bewegung als Ganzes
„Wir sehen in dem Freispruch einen Sieg für den Internationalismus“, sagte ein Aktivist von #RiseUp4Rojava. Ein Sieg, der auch dank der „klaren politischen Prozessführung“ möglich geworden sei. In anderen Redebeiträgen, etwa von der Roten Hilfe, wurde festgehalten, dass dem Internationalisten nicht nur die Art seines Engagements in Rojava vorgeworfen wurde, sondern vor allem die ideologischen Gründe, die ihn dazu bewegten. Die Schweizer Behörden hätten versucht, ihn in erster Linie wegen seines politischen Engagements zu verurteilen, und sich dabei der Militärjustiz bedient. Der Prozess sei daher als eine Form der Repression gegen die revolutionäre Bewegung als Ganzes und nicht nur als Angriff auf eine Einzelperson zu bewerten. Aus diesem Grund müsse die Antwort darauf nicht lediglich eine individuelle sein, sondern eine kollektive und revolutionäre.