Seit elf Jahren fordern Aktivist:innen vor den europäischen Institutionen in Straßburg die Freiheit des kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan. Es handelt sich um die kontinuierlichste Protestaktion in der Weltgeschichte. Jede Woche kommen Delegationen von kurdischen Aktivist:innen und Internationalist:innen aus ganz Europa und übernehmen Tag für Tag zwischen 7.30 und 16.30 Uhr den Protest. Sie prangern mit ihrer Aktion die doppelzüngige Politik der europäischen Staaten an, einerseits von Menschenrechten zu sprechen und andererseits das Foltersystem auf der Gefängnisinsel Imrali zu unterstützen
CPT spielt legitimatorische Rolle im Foltersystem auf Imrali
Der Ort Straßburg als Sitz des Europarats, des Europäischen Komitees zur Verhinderung von Folter (CPT) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) wurde für die am 25. Juni 2012 begonnene Dauerprotestaktion ausgewählt, da die europäischen Institutionen, insbesondere das CPT, immer eine wichtige legitimierende Rolle für das Foltersystem auf der Gefängnisinsel Imrali, wo Öcalan mit drei Mitgefangenen isoliert ist, gespielt haben. Das CPT besuchte wiederholt Imrali. Die Berichte darüber bleiben auf Wunsch der Türkei geheim. Zuletzt besuchte das CPT Imrali 2022. Bei diesem Besuch ist nicht einmal klar, ob die CPT-Delegation Öcalan gesehen hat.
Auf Imrali wird Sonderrecht vollstreckt
Zülfü Bingöl vom Organisationskomitee der Aktion erklärte anlässlich des 15. Februars, dem Tag, an dem Öcalan 1999 durch ein internationales Komplott verschleppt worden war, dass es sich bei dieser Entführung um eine Operation der NATO-Geheimarmee Gladio gehandelt habe. Seither werde auf Imrali ein Sonderrecht vollstreckt. Im Visier stünde Öcalan wegen seiner freiheitlichen Ideologie und der durch den demokratischen Konföderalismus geschaffenen Alternative. Bingöl sagt: „Die internationalen Hegemonialmächte versuchen, diese Ideologie zu vernichten.“ Er unterstreicht, dass der Kapitalismus ein Fluch für die Menschheit ist, und fährt fort: „Die Völker, die Frauen, die Unterdrückten, die Umweltaktivist:innen kommen durch das Lösungsmodell von Rêber Apo [Abdullah Öcalan] zusammen. Das macht die internationalen Mächte nervös.“
„Der Kampf wird nicht enden, bevor Rêber Apo befreit ist“
Bingöl sieht in der seit elf Jahren mit großer Disziplin durchgeführten Aktion einen Ausdruck der Entschlossenheit des kurdischen Freiheitskampfes und sagt: „Mit dieser Aktion machen wir klar, dass ein Leben ohne Rêber Apo für uns nicht vorstellbar ist.“ Er fährt fort: „Unser Kampf wird nicht enden, bevor Rêber Apo nicht befreit ist. Denn die Freiheit unserer Völker ist mit seiner Freiheit untrennbar verbunden.“
24. Jahrestag der Verschleppung Öcalans
Heute jährt sich die Verschleppung des kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan zum 24. Mal. Am 15. Februar 1999 war der Vorsitzende der PKK aus der griechischen Botschaft in Kenia in einem internationalen Komplott, bei dem insbesondere die NATO-Staaten eine zentrale Rolle spielten, entführt und auf die Gefängnisinsel Imrali verschleppt worden. Der Angriff auf Öcalan war ein wichtiger Baustein bei der Umsetzung des Greater Middle East Projects zur Neuordnung des Nahen Ostens. Die PKK und Öcalan stellen bis heute als revolutionäre Bewegung für die kapitalistischen Staaten und ihre regionalen Vertreter ein Hindernis bei der Umsetzung ihrer Ziele dar. Der Türkei wurde die Rolle eines Schließers auf Imrali gegeben und es wurde ein System der Rechtlosigkeit und Totalisolation installiert. Dennoch gelang es Öcalan, eine immer stärkere politische Rolle im Nahen Osten und weltweit durch sein, unter anderem in seinen Verteidigungsschriften vorgelegtes, radikaldemokratisches, frauenbefreiendes Alternativmodell zur kapitalistischen Moderne zu spielen. Gleichzeitig kämpfte er immer für einen gerechten Frieden und eine politische Lösung in Kurdistan. Er wurde in Unterschriftenkampagnen von Millionen von Kurd:innen als ihr Repräsentant anerkannt. Für die Revolution in Rojava, die mit ihrem basisdemokratischen Modell und dem erfolgreichen Kampf gegen den IS weltweit Aufsehen erregte, war Öcalan Ideengeber. Das gilt insbesondere auch für die kurdische Frauenbefreiungsbewegung. Je nach politischer Konjunktur verschärfte oder erleichterte der türkische Staat die Situation Öcalans. Seit der türkische Staat den Verhandlungsprozess im Jahr 2015 abgebrochen hat, verschärft sich die Isolation kontinuierlich. Seit fast 24 Monaten gibt es kein Lebenszeichen mehr von Öcalan und weltweit finden Protestaktionen statt. Für diesen 15. Februar war eine massive Protestwelle in Vorbereitung. Die Großaktionen wurden jedoch aufgrund des Erdbebens in Kurdistan, Syrien und der Türkei von den kurdischen Verbänden verschoben.