EU-Beitritt der Türkei liegt laut Baerbock „tief im Eisfach“

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock sieht die Türkei weiter weit von einem EU-Beitritt entfernt. Bei einem EU-Treffen in Brüssel für neue Beziehungen mit Ankara setzte sie sich für Gespräche ein, wolle jedoch keine Geschenke verteilen.

Die Bundesregierung setzt sich für eine engere Zusammenarbeit der Europäischen Union mit der Türkei ein, lehnt „Geschenke“ in die festgefahrenen Beitrittsprozess aber ab. Das machte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Donnerstag bei einem Treffen mit ihren EU-Kollegen in Brüssel deutlich.

Deutschland hatte bereits beim jüngsten EU-Gipfel für den Versuch einer Wiederannäherung geworben. Daraufhin war vereinbart worden, dass nun ein Bericht über den Stand der Beziehungen zwischen der EU und der Türkei erarbeitet werden soll, der „auf ein strategisches und vorausschauendes Vorgehen abstellt“.

Baerbock sagte, nach der Wiederwahl des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan Ende Mai sei es wichtig, noch einmal zu überdenken, wie man mit einem „nicht einfachen Nachbarn, aber einem globalen, strategisch wichtigen Akteur in unserer direkten Nachbarschaft“ zusammenarbeiten werde. Konkret nannte die Grünen-Politikerin den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und die Klimakrise. „Jetzt nach den Wahlen ist ein Moment für eine strategische Reflexion“, so Baerbock.

Zu dem „tief im Eisfach“ liegenden Beitrittsprozess mit der Regierung in Ankara sagte Baerbock allerdings, dass man nicht naiv sei und es keine Geschenke gebe, weil man sich gerade in schwierigen Zeiten befinde. Grund dafür seien Defizite bei wesentlichen Themen wie Rechtsstaatlichkeit und dem Schutz der Menschenrechte.

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sagte, nach dem Beschluss für EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei im Jahr 2004 habe es zunächst richtige Verhandlungen auch über die Menschenrechte gegeben. Aber seit 2011 sei es dann „in die falsche Richtung“ gegangen. Ungelöst bleibt zudem die Zypern-Frage. Der zypriotische Außenminister Constantinos Kombos machte eine Wiederannäherung zwischen der Türkei und der EU von Fortschritten bei Gesprächen über ein Ende der türkischen Invasion von Teilen der Mittelmeerinsel anhängig.

Seit 1974 ist Zypern in einen „türkischen Norden“ und einen „griechischen Süden“ geteilt. „Das muss aufhören“, forderte Kombos. „Wir erwarten die rasche Wiederaufnahme substanzieller Verhandlungen, die zu einer Lösung des Zypernproblems führen“, sagte er. Die Türkei ist der einzige Staat, der die 1983 ausgerufene Türkische Republik Nordzypern anerkennt.

Langzeitherrscher Erdoğan hatte vor dem NATO-Gipfel in Litauen vergangene Woche eine Wiederaufnahme der EU-Beitrittsgespräche gefordert. Er machte dies zunächst zur Bedingung für den Beitritt Schwedens zur Militärallianz, lenkte dann aber ein. Die EU hatte die 2005 eröffneten Beitrittsverhandlungen mit der Türkei Ende 2016 ausgesetzt. Anlass waren die Massenverhaftungen von Oppositionellen des Erdoğan-Regimes nach dem vermeintlichen Putschversuch im Juli vor sieben Jahren.