Am letzten Tag des NATO-Gipfels in Litauen ist heute erstmals der neue NATO-Ukraine-Rat zusammengetreten. Der ukrainische Präsident Selenskyj forderte im Vorfeld mehr Waffen, die Einladung zum NATO-Beitritt sowie Sicherheitsgarantien. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen Linkspartei (YSP), Saruhan Oluç, hat sich auf einer Pressekonferenz im Parlament in Ankara zu den Beziehungen zwischen der Türkei und der Ukraine, dem Besuch Selenskyjs, den NATO-Diskussionen und dem EU-Beitrittsprozess geäußert.
Oluç sagte: „Präsident Erdoğan hat erklärt, dass die Ukraine die Mitgliedschaft in der NATO verdient. Das ist keine Situation, die man übergehen sollte. Es ist eine äußerst kritische Aussage nicht nur für die Ukraine und Russland, sondern auch für die Völker der Türkei und Europas und deren Zukunft. Denn kein NATO-Mitgliedstaat war bereit, die Ukraine offiziell in die NATO aufzunehmen. Insbesondere auf dem NATO-Gipfel vor der Invasion war nicht vorgesehen, die Ukraine kurz- und mittelfristig in die NATO aufzunehmen. Damals wurde diese Debatte beendet. Warum hat Erdoğan die Debatte über die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine wieder angefacht? Welche Risiken damit verbunden sind, darüber muss man diskutieren. Die Aufnahme der Ukraine in die NATO bedeutet, dass die NATO und Russland in den Krieg ziehen werden. Es bedeutet den 3. Weltkrieg. Es bedeutet ein Blutbad."
„Für einen EU-Beitritt müssen die Kopenhagener Kriterien erfüllt werden“
Die schwedische Zusage, die EU-Mitgliedschaft der Türkei zu unterstützen, sei rein diplomatisch und habe keine Entsprechung, erklärte Oluç weiter. An die Regierung gerichtet sagte der YSP-Politiker: „Wenn Sie die EU-Mitgliedschaft wollen, erfüllen Sie die Kopenhagener Kriterien. Wollen Sie der EU beitreten? Wir wollen es. Als die EU sagte, Sie sollen die Kopenhagener Kriterien erfüllen, hat sie damit gemeint, Sie sollen Treuhänder einsetzen? Hat sie Ihnen gesagt, Sie sollen der Venedig-Kommission aus diesem Grund widersprechen? Hat sie Ihnen gesagt, Sie sollen dem Europäischen Parlament und dem Rat widersprechen? Hat die EU Ihnen gesagt, dass Sie sich nicht an die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte halten sollen? Hat sie Ihnen gesagt, Sie sollen die Europäische Menschenrechtskonvention verletzen, um die Kopenhagener Kriterien zu erfüllen? Hat sie Ihnen gesagt, Sie sollen Gefängnisse aus politischen Gründen füllen? Hat sie Ihnen gesagt, Sie sollen Journalisten inhaftieren? Hat sie Ihnen gesagt, Sie sollen Fernsehsender mit Geldstrafen belegen und Fernsehjournalisten verhaften? Hat er gesagt, Sie sollen auf die graue Liste der Financial Action Task Force kommen? Die Türkei wurde auf die graue Liste gesetzt und beschuldigt, keine präventiven Maßnahmen gegen Terrorismusfinanzierung zu ergreifen. Hat sie gesagt, dass Sie Geldwäsche nicht verhindern sollen? Steht das in den Kopenhagener Kriterien? Hat die EU gesagt, dass Sie die Angriffe auf die Samstagsmütter fortsetzen und Entscheidungen des Verfassungsgerichts nicht umsetzen sollen? Hat sie gesagt, dass Sie mit der Schließung des Verfassungsgerichts drohen sollen? Hat die EU Ihnen gesagt, die HDP zu verbieten und eine politische Vertretung des kurdischen Volkes in der demokratischen Politik zu verhindern? Hat sie gesagt, man solle die Justiz nicht reformieren und Streiks aufschieben? Hat sie Ihnen gesagt, die Nutzung des Versammlungs- und Demonstrationsrechts zu verhindern? Hat sie Ihnen gesagt, Sie sollen aus der Istanbul-Konvention austreten, um die Kopenhagener Kriterien umzusetzen? Hat die EU Ihnen gesagt, dass Sie in den Fortschrittsberichten des Europäischen Parlaments, die für die Verhandlungen mit der EU wichtig sind, jedes Mal heftig kritisiert werden müssen? Jedes Mal, wenn ein Fortschrittsbericht herauskommt, gibt das Außenministerium eine Erklärung ab, in der es heißt: ,Diese Berichte sind für uns null und nichtig'. Hat Ihnen die EU gesagt, dass Sie die Kopenhagener Kriterien erfüllen, wenn Sie sich so verhalten? Was sagen Sie zu diesen Fragen?"
Oluç sagte, wenn die Mentalität der „Ankara-Kriterien" nicht aufgegeben wird, können keine Schritte in Richtung EU unternommen werden: „Die EU-Mitgliedschaft der Türkei hängt von der Demokratisierung, der Rechtsstaatlichkeit und der Lösung der kurdischen Frage ab."