Erdoğan erklärt Unterstützung für NATO-Beitritt Schwedens

Der türkische Machthaber Erdoğan scheint seine Blockadehaltung gegenüber dem NATO-Beitritt Schwedens überraschenderweise aufgegeben zu haben. Welche Absprachen hinter der Kehrtwende Erdoğans liegen, bleibt unklar.

Die Türkei hat offenbar ihre Blockadehaltung gegen die Aufnahme Schwedens in die NATO aufgegeben. Erdoğan hatte zuvor noch am Morgen den Verzicht auf seine Blockade mit der Fortsetzung der EU-Beitrittsverhandlungen verknüpft, doch am Abend folgte eine Kehrtwende. In einer gemeinsamen Erklärung von Erdoğan, dem schwedischen Regierungschef Ulf Kristersson und dem NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sicherte Erdoğan zu, die Ratifizierung des Beitritts dem Parlament vorzulegen und sich für eine zügige Verabschiedung einzusetzen. Die Türkei und Ungarn waren die einzigen beiden NATO-Mitglieder, die den schwedischen Beitritt blockierten.

Revitalisierung“ der Beziehungen zur EU versprochen

Was genau hinter Erdoğans Kehrtwende steckt, kann derzeit nur vermutet werden. Nach seiner Aussage am Morgen, dass der Weg der Türkei in die Europäische Union zuerst geebnet werden müsse, bevor man den Weg für Schweden ebne, kommt Erdoğans Sinneswandel überraschend. Obwohl NATO-Chef Stoltenberg erklärte, er unterstütze eine EU-Mitgliedschaft der Türkei, wurde auf offizieller Ebene von Staatschefs und in der EU klargestellt, dass eine NATO-Mitgliedschaft und eine EU-Mitgliedschaft als getrennte Prozesse betrachtet werden sollten.

Die trilateralen Gespräche zwischen der Türkei, Schweden und der NATO wurden durch ein Treffen zwischen Erdoğan und dem EU-Ratspräsidenten Charles Michel unterbrochen. Michel versprach der Türkei eine „Revitalisierung“ der derzeit auf Eis liegenden Beziehungen. Auch Schweden sagte zu, die EU-Mitgliedschaft der Türkei zu unterstützen. Allerdings müssten alle EU-Regierungen und das Europaparlament einer offiziellen Wiederaufnahme der Beitrittsverhandlungen zustimmen, was eher unwahrscheinlich erscheint. Daher könnte es sich eher um einen Versuch handeln, dem türkischen Machthaber die Möglichkeit zu geben, innenpolitisch sein Gesicht zu wahren.

Telefongespräch mit Joe Biden

Ein zentraler Punkt für die Türkei ist die Bekämpfung des kurdischen Freiheitskampfes. Bereits am Sonntagabend fanden Gespräche zwischen Erdoğan und dem US-Präsidenten Biden statt. Neben Schwedens Antrag auf NATO-Mitgliedschaft wurden auch die Position der Ukraine in der NATO, die Lieferung von F-16-Kampfflugzeugen und eine EU-Vollmitgliedschaft der Türkei diskutiert. Erdoğan begrüßte auch die Verfolgung der kurdischen Freiheitsbewegung durch neue Terrorgesetze in Schweden, bemängelte jedoch, dass weiterhin „PKK- und YPG-Anhänger“ in Schweden demonstrieren dürfen.

Verfolgung der kurdischen Freiheitsbewegung als Gegenleistung

Schweden verspricht eine enge Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der kurdischen Freiheitsbewegung. Hinter diesem Deal könnte auch eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Schweden und den EU-Staaten bei der Verfolgung der kurdischen Freiheitsbewegung stehen. In einer gemeinsamen Erklärung von Schweden und der Türkei in der litauischen Hauptstadt Vilnius wurde ein neues bilaterales Sicherheitskonzept erwähnt. NATO-Generalsekretär Stoltenberg erklärte: „Die Zusammenarbeit zwischen der Türkei und Schweden als Verbündete im Kampf gegen den Terrorismus wird auf eine höhere Ebene gehoben. Es wird jährliche Treffen geben, bei denen ein gemeinsamer Fahrplan entwickelt wird.“ In diesem Zusammenhang erscheint die Ankündigung des NATO-Chefs, dass das Militärbündnis erstmals in seiner Geschichte einen speziellen Koordinator für die Terrorismusbekämpfung ernennen wird, beinahe wie eine Drohung – insbesondere in Bezug auf die Bekämpfung der kurdischen Freiheitsbewegung. Ob es weitere Zusagen seitens der USA gibt, wie beispielsweise grünes Licht für eine Ausweitung der türkischen Invasion in Nord- und Ostsyrien, bleibt unklar.