In der Causa um die Aufnahme Schwedens in die NATO hat das nordische Land nach Ansicht von Jens Stoltenberg alle Anforderungen der Türkei erfüllt. „Schweden ist seiner Verpflichtung nachgekommen“, sagte der NATO-Generalsekretär am Sonntag auf einer Pressekonferenz nach einem Treffen mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdoğan im Dolmabahçe-Palast in Istanbul.
„Die Türkei hat berechtigte Sicherheitsbedenken. Kein anderer NATO-Verbündeter hat mehr Terroranschläge erlebt, aber Schweden hat bedeutende, konkrete Schritte unternommen, um den türkischen Bedenken entgegenzukommen", sagte Stoltenberg. Unter anderem wies er auf die kürzlich erfolgte Verschärfung der schwedischen Anti-Terror-Gesetze und die Aufhebung des Waffenembargos gegen die Türkei hin. Das Treffen mit Erdoğan bezeichnete Stoltenberg als „produktiv“. Am 12. Juni solle es weitere Gespräche mit der Türkei und Schweden geben.
Schweden und Finnland hatten im Frühjahr 2022 unter dem Eindruck des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine gemeinsame Anträge auf eine NATO-Mitgliedschaft gestellt. Dafür ist die Zustimmung aller Mitgliedsländer des westlichen Verteidigungsbündnisses erforderlich. Finnland wurde im April als 31. Mitglied willkommen geheißen, Schweden fehlt dagegen weiterhin die Zustimmung aus der Türkei und auch aus Ungarn.
Die türkischen Streitpunkte haben ihre Ursache in der antikurdischen Mentalität des Landes. Ankara begründet die Blockadehaltung mit einem unzureichenden Vorgehen Schwedens gegen kurdische „Terrororganisationen“ – gemeint sind unter anderem die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und die in Rojava aktiven Volksverteidigungseinheiten (YPG). Darüber hinaus wirft die türkische Regierung Schweden vor, ein Zufluchtsort für „Terroristen“ zu sein, und fordert die Auslieferung von zahlreichen Geflüchteten und Oppositionellen.
Seit Donnerstag sind nun in Schweden neue Terrorgesetze in Kraft. Demnach ist es strafbar, sich an einer als „Terrororganisation“ gelisteten Vereinigung zu beteiligen, eine solche Beteiligung zu finanzieren oder anderweitig zu unterstützen. Das nordische Land hatte bisher relativ liberale Anti-Terror-Gesetze, um die Versammlungsfreiheit zu schützen. Anklagen wegen der reinen Mitgliedschaft in einer Gruppe, die „terroristischer Verbindungen“ verdächtigt wird, waren bislang nicht zulässig. Das ändert sich mit dem neuen Gesetz. Bei Verstößen drohen mehrjährige Haftstrafen.
Stoltenberg kriminalisiert NATO-Gegner
Stoltenberg sprach in Ankara auch das Thema der Versammlungsfreiheit in Schweden an. Hintergrund sind Proteste in dem Land gegen den Beitritt in die NATO, an der sich auch die kurdische Community beteiligte. Für heute mobilisierte etwa das Bündnis „Nein zur NATO“ zu einer Großdemonstration nach Stockholm. Ankara protestierte zwar im Vorfeld dagegen, die Stockholmer Polizei erteilte dennoch eine Erlaubnis für die Veranstaltung.
„Wir sollten nicht zulassen, dass sie Erfolg haben“
Stoltenberg sagte dazu: „Versammlungs- und Meinungsfreiheit sind zentrale Werte in demokratischen Gesellschaften. Aber wir sollten uns daran erinnern, warum diese Demonstrationen stattfinden.“ Die Organisatoren dieser Demonstrationen wollten „den Beitritt Schwedens zur NATO blockieren, die Zusammenarbeit mit der Türkei im Kampf gegen den Terrorismus untergraben und das Verteidigungsbündnis schwächen“, meinte Stoltenberg. „Wir sollten nicht zulassen, dass sie Erfolg haben“, betonte er.