Schweden hat vor dem Hintergrund der anhaltenden türkischen Ablehnung des geplanten NATO-Beitritts des Landes der von Ankara geforderten Auslieferung eines türkischen Staatsbürgers zugestimmt. Es handele sich um den 29-jährigen Ömer Altun, der in der Türkei wegen Betrugs zu 15 Jahren Haft verurteilt worden sei, erklärte das schwedische Justizministerium. Die Auslieferung eines schwedischen Staatsbürgers, den die türkische Justiz der Mitgliedschaft in einer „Terrororganisation“ beschuldigt, lehnte Stockholm hingegen ab.
Die Auslieferung von Personen, die von der türkischen Justiz gesucht werden, ist einer der Streitpunkte, wegen derer sich die Türkei bisher weigert, dem NATO-Beitrittsgesuch Schwedens zuzustimmen. Allgemein fordert Ankara von der Regierung in Stockholm ein härteres Vorgehen gegen Personen, die in der Türkei als „terroristisch“ gelten. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Exil-Oppositionelle, die in Schweden Schutz vor politischer Verfolgung suchten – viele von ihnen aus dem kurdischen Spektrum. Sie werden als Verhandlungsmasse für ein „Ja“ zum NATO-Beitritt des nordischen Landes genutzt.
Voraussetzung für die nun gewährte Auslieferung Altuns ist, dass sein Fall in der Türkei erneut vor Gericht verhandelt wird. Das schwedische Justizministerium stimmte erst zu, nachdem der Oberste Gerichtshof grünes Licht für die Auslieferung gegeben hatte. Dieser stehe nun aus Sicht der Regierung „nichts mehr entgegen“, heißt es in der am 30. März getroffenen schriftlichen Entscheidung, die der Nachrichtenagentur AFP vorliegt.
Laut dem schwedischen Sender SVT befindet sich Altun seit September in Untersuchungshaft. Die Länge der gegen ihn verhängten Haftstrafe ergebe sich aus fünf Anklagepunkten wegen schwerem Betrug, heißt es in einem Bericht. Der Mann nenne dies allerdings einen Vorwand für seine Auslieferung. Ihm zufolge gebe es politische Gründe, warum die Türkei ihn ausgehändigt haben will. Selbst im Urteil des Obersten Gerichtshofs heiße es, dass Altun die Zugehörigkeit zur Bewegung des islamistischen Predigers Fethullah Gülen vorgeworfen werde. Ankara macht die Organisation des in Ungnade gefallenen politischen Ziehvaters von Recep Tayyip Erdoğan für den mutmaßlich vorgetäuschten Pseudo-Putsch von 2016 verantwortlich.
Nicht gewährt von der Stockholmer Regierung wurde hingegen das Auslieferungsgesuch für den 51-jährigen Mehmet Zakir Karayel, dem die türkische Justiz die Mitgliedschaft in einer „bewaffneten Terrororganisation“ – gemeint ist die Gülen-Bewegung – vorwirft. „Ein schwedischer Staatsbürger darf nicht ausgeliefert werden“, schrieb das Justizministerium zur Begründung. Auf der Liste der von Ankara geforderten Personen in Schweden stehen noch dutzende weitere Namen. Unter ihnen befindet sich auch der Autor, Menschenrechtler und Verleger Ragıp Zarakolu.
Auslieferung von Journalist abgelehnt
Schweden hat seit dem gemeinsam mit Finnland eingereichten Antrag auf eine Mitgliedschaft in der NATO mindestens zwei türkischen Auslieferungsanträgen zugestimmt. Die Auslieferung mehrerer von der türkischen Justiz gesuchter Menschen lehnte Stockholm jedoch ab. Einer von ihnen ist Bülent Keneş, der frühere Chefredakteur der türkischen Zeitung „Zaman“. Auch ihm wirft Ankara eine Verwicklung in den sogenannten Putschversuch vor sieben Jahren vor.
Auch Ungarn blockiert
Schweden hatte im Mai 2022 zeitgleich mit Finnland nach dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine seine jahrzehntelange Politik der militärischen Neutralität aufgegeben und eine Mitgliedschaft in der NATO beantragt. Der Aufnahme Finnlands stimmte das türkische Parlament Ende März schließlich zu, seit dieser Woche ist das Land offiziell Teil des westlichen Verteidigungsbündnisses. Neben der Türkei sperrt sich bisher auch Ungarn gegen eine schwedische NATO-Mitgliedschaft.