„Verstoß gegen das Versammlungsgesetz“
Sechs Personen, die an der Organisation der Newroz-Feierlichkeiten 2024 im zentralanatolischen Eskişehir beteiligt waren, sehen sich strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen einen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz (Gesetz Nr. 2911) vor. Sie hätten „ihre Pflichten als Mitglieder des Organisationskomitees nicht erfüllt“, heißt es. Einem der Angeklagten wird zusätzlich vorgeworfen, durch eine „provokative Rede“ zu Straftaten aufgerufen zu haben.
Die Ermittlungen richteten sich ursprünglich gegen insgesamt 18 Personen. Gegen zwölf von ihnen stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren mit der Begründung ein, es gebe „keinen hinreichenden Tatverdacht“. Die übrigen sechs, darunter zwei Frauen, wurden jedoch angeklagt.
Die 16. Strafkammer des Landgerichts Eskişehir nahm die Anklage an und ordnete ein vereinfachtes Verfahren ohne mündliche Verhandlung an. Die Angeklagten sollen innerhalb einer gesetzten Frist schriftlich Stellung beziehen – das Urteil könnte dann ohne weiteres Gehör ergehen. Ob es dabei bleibt oder eine Ausweitung des Verfahrens erfolgt, ist derzeit offen.
Symbol der kurdischen Identität
Newroz, das am 21. März begangene traditionelle Neujahrs- und Frühlingsfest, hat für viele Kurd:innen eine weit über das Kulturelle hinausgehende Bedeutung: Es gilt als Symbol für Widerstand, Identität und kollektive Erinnerung. Insbesondere seit den 1990er Jahren hat sich Newroz zu einem politisch aufgeladenen Datum entwickelt, das von vielen Menschen in der kurdischen Bevölkerung genutzt wird, um Forderungen nach kultureller Anerkennung, Selbstbestimmung und Frieden sichtbar zu machen.
Staatliche Repression
Die Reaktion des türkischen Staates ist seit Jahrzehnten von Repression geprägt. Immer wieder wurden Newroz-Feiern verboten, Teilnehmende festgenommen oder durch Polizeigewalt verletzt. Insbesondere in westtürkischen Städten wie Eskişehir, in denen die kurdische Community zwar präsent, aber nicht dominant ist, stehen solche Veranstaltungen häufig unter besonderer Beobachtung
Kritik von Menschenrechtsorganisationen
Internationale Menschenrechtsorganisationen kritisieren seit Langem, dass kulturelle Ausdrucksformen der kurdischen Bevölkerung systematisch kriminalisiert werden – von der Sprache über Symbole bis hin zu traditionellen Festen wie Newroz. Die Türkei steht wegen dieser Praxis immer wieder im Fokus von Berichten der EU-Kommission, Amnesty International und des Europarats, die insbesondere mangelnde Versammlungsfreiheit und politisch motivierte Strafverfolgung bemängeln.