Mit einer Volksversammlung im Pariser Kulturzentrum Ahmet Kaya ist die erste Etappe der 25-tägigen Demonstration für die Freiheit von Abdullah Öcalan und eine politische Lösung der kurdischen Frage am späten Montagabend beendet worden. Thema der Zusammenkunft, an der sich neben Teilnehmenden des Marschs auch Mitglieder des Demokratischen Kurdischen Rats Frankreichs (CDK-F) und der Kurdischen Frauenbewegung (TJK-F) beteiligten, war das Haftregime auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali, auf der Öcalan seit seiner völkerrechtswidrigen Verschleppung 1999 in die Türkei festgehalten wird.
Seit drei Jahren herrscht völlige Funkstille um den 74-Jährigen. Er und seine Mitgefangenen Hamili Yıldırım, Ömer Hayri Konar und Veysi Aktaş werden außerhalb des Rechts gestellt. Letztmaligen Kontakt zu Öcalan hatte sein Bruder im März 2021 in Form eines kurzen Telefonats, das nach wenigen Minuten wieder abgebrochen wurde. Das Anwaltsteam kann schon seit 2019 nicht mehr mit Öcalan und seinen drei Mitgefangenen kommunizieren. „Diese absolute Isolation bedeutet systematische Folter und bei der kurdischen Gesellschaft bestehen zunehmende Sorgen um das Leben und die Gesundheit der Imrali-Gefangenen“, fasste Murat Ceylan vom Vorstand des kurdischen Europadachverbands KCDK-E zusammen.
Der Startschuss der 25-tägigen Demonstration war am Mittag auf der Rue La Fayette gefallen. Die Straße im zehnten Pariser Arrondissement beherbergt das Kurdistan-Informationszentrum, in dem die kurdischen Revolutionärinnen Sakine Cansız, Fidan Doğan und Leyla Şaylemez vor zehn Jahren von einem Attentäter des türkischen Geheimdienstes (MIT) ermordet wurden.
Und obwohl die Isolationshaftbedingungen sämtlichen internationalen Konventionen zum Schutz der Rechte Gefangener widersprechen, einschließlich den UN-Mindeststandardregeln für die Behandlung politischer Gefangener (Nelson-Mandela-Regeln), wird der Türkei freie Hand gewährt, diese zu praktizieren. „Als Kurdinnen und Kurden, die in Herrn Öcalan ihren politischen Repräsentanten sehen, verachten wir das Haftregime, das ihm und seinen Mitgefangenen auferlegt wird. Gleichermaßen verurteilten wir Europa, das nicht gewillt ist, die menschenverachtenden Haftbedingungen auf Imrali zu korrigieren und dem türkischen Staat Einhalt zu gebieten, damit dieser nicht länger an einer Behandlung nach Feindstrafrecht festhält.“
Die erste Etappe führte von der Rue La Fayette bis zu gut fünf Kilometer entfernten Metro-Haltestelle Nation. Die Demonstration war bunt, laut und kämpferisch, das Motto lautet: „Freiheit für Abdullah Öcalan – Gerechtigkeit für die Kurdinnen und Kurden“. Am Rande verteilten Aktivist:innen etwa 5.000 Flyer an Interessierte mit Informationen zu den Inhalten des Marschs. Die KCDK-E-Vorsitzende Zübeyde Zümrüt forderte das Antifolterkomitee des Europarats (CPT) auf, sich nicht zu einem Staat zu bekennen, der einen „Genozid“ am kurdischen Volk verübe. Stattdessen müsse die Institution ihrer Mission entsprechend handeln und „alle Hebel in Bewegung setzen“, damit die Isolation auf Imrali durchbrochen wird.
Um eben auf diese Situation aufmerksam zu machen und den Fokus darauf zu legen, dass das Imrali-System die Politik zur kurdischen Frage widerspiegelt, fuhr Ceylan fort, finde die Demonstration durch Frankreich statt. Öcalan verfolge einen lösungsorientierten Ansatz bei diesem Konflikt, der die „Mutter aller Fragen“ in der Region sei, und verfüge über großen Einfluss. Ankara wiederum lehne eine demokratische Lösung ab, weil es vom Kriegs- und Krisenzustand profitiere. Eine Lösung der kurdischen Frage würde dem türkischen Staat die Existenzgrundlage entziehen. „Deshalb ist die Unterstützung der französischen Öffentlichkeit wichtig, um auch die weltweite Aufmerksamkeit auf dieses Problem zu lenken und auf konkrete Maßnahmen zu drängen. Wir glauben, dass internationale Aufmerksamkeit und politischer Druck die türkische Regierung dazu bewegen können, die Isolation zu beenden und an den Verhandlungstisch zurückzukehren, um die kurdische Frage endlich zu lösen.“
Bei der heutigen Etappe der Demonstration wird die Strecke zwischen dem Pariser Quartier Invalides und dem Place de la République abgedeckt. Anschließend geht es weiter in:
24. Januar: Lorient
25. Januar: Vannes
26. Januar: Nantes
27. Januar: Rennes
28. Januar: Rouen
29. Januar: Mantes-la-Jolie
30. Januar: Les Mureaux
31. Januar: Melun
1. Februar: Ris-Orangis/Grigny
2. Februar: Villeneuve Saint-George
3. Februar: Saint-Denis
4. Februar: La Courneuve
5. Februar: Drancy
6. Februar: Villiers-Le-Bel
7. Februar: Sarcelles
8. Februar: Creil
9. Februar: Compiègne
10. Februar: Amiens
11. Februar: Saint-Quentin
12. Februar: Soissons
13. Februar: Reims
14. Februar: Metz
15. Februar: Strasbourg (Europaviertel)