Nach seiner Wiederwahl ist der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan für eine weitere fünfjährige Amtszeit vereidigt worden. Der AKP-Chef schwor am Samstag vor den neuen Parlamentsabgeordneten in der Nationalversammlung in Ankara, „seine Pflicht unparteiisch zu erfüllen“.
Erdoğan hatte sich letzte Woche in einer Stichwahl mit 52 Prozent der Stimmen gegen den Vorsitzenden der Republikanischen Volkspartei (CHP), Kemal Kılıçdaroğlu, durchgesetzt – mutmaßlich durch Manipulation, wie Oppositionsparteien und verschiedene Organisationen annehmen.
„Ich schwöre, als Präsident all meine Kraft einzusetzen, um die Existenz und Unabhängigkeit des Staates zu schützen“, sagte der Präsident in der live vom türkischen Fernsehen übertragenen Zeremonie. Mit Ausnahme der Abgeordneten von Grüner Linkspartei (YSP), Arbeiterpartei der Türkei (TIP) und CHP standen die Parlamentarier:innen auf und klatschten stehend Beifall.
Für den Nachmittag ist eine Feierlichkeit im Präsidentenpalast geplant, an der mehrere Staatsoberhäupter aus aller Welt teilnehmen werden. Erwartet werden unter anderem der Präsident der Kurdistan-Region Irak (KRI), Nêçirvan Barzanî, und Armeniens Ministerpräsident Nikol Paschinjan. Auch NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg will an der feierlichen Amtseinführung Erdoğans teilnehmen.
Inhaftierter Abgeordneter wird nicht freigelassen
Erstmals zusammengetreten ist das neu gewählte Parlament am Freitag. 599 Abgeordnete legten bei der konstituierenden Sitzung ihre Amtseide ab, einer fehlte: Rechtsanwalt Can Atalay, der 2022 in dem international als politisch motiviert kritisierten Gezi-Verfahren zu 18 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Er trat für die TIP in Hatay an. Trotz mehrmaliger Anträge wurde seine Freilassung bislang noch nicht vollzogen.
Erdoğan blickt bei seiner Vereidigung auf die Reihen der Oppositionsabgeordneten | Quelle: Präsidentschaftsbüro
Islamistisch-nationalistische Koalition stärkste Kraft
Die AKP von Erdoğan verlor bei der Parlamentswahl 27 Sitze und kommt nun auf 268 Sitze. Dennoch ist sie gemeinsam mit ihren Partnern stärkste Kraft im neuen Parlament. Vier ihrer Abgeordneten gehören der kurdisch-islamistischen Partei Hüda Par an – dem politischen Arm der Terrororganisation Hizbullah, die in den 1990er Jahren für brutale Morde in Kurdistan verantwortlich war. Sie gelangten über die Liste der AKP erstmals ins Parlament. Gemeinsam mit den Abgeordneten der Yeniden Refah Partisi aus der islamistischen Millî-Görüş-Bewegung und der ultranationalistischen MHP kommt das Erdoğan-Lager auf 323 von insgesamt 600 Sitzen. Die für eine Verfassungsänderung nötige Zweidrittelmehrheit erreicht Erdoğan damit nicht. Die YSP, unter deren Banner die Demokratische Partei der Völker (HDP) zur Wahl angetreten war, gewann 61 Mandate. Die TIP kam auf vier Sitze.