Die Demokratische Partei der Völker (HDP) hat am vergangenen Samstag über die aktuelle politische Lage, den seit Monaten andauernden Hungerstreik politischer Gefangener und die Wiederholung der Kommunalwahl in Istanbul beraten. In einer Abschlusserklärung der außerordentlichen Sitzung des Parteirats findet sich ein eindeutiges Signal für die Istanbuler Wahlen am 23. Juni. Der Beschluss zur Wahlwiederholung wird als „Urnenputsch“ bezeichnet. Die HDP werde in Istanbul „gemeinsam mit den oppositionellen Kräften einen weiteren Wahlerfolg verzeichnen und mit der Stimmabgabe an der Wahlurne Rechenschaft für den usurpierten Wählerwillen“ verlangen, heißt es in der Erklärung.
Der Parteirat erinnert an die 96 HDP-regierten Kommunalverwaltungen, in denen staatlich verordnete Statthalter eingesetzt worden sind. Die Denkweise, mit der in Istanbul der Wahlsieg des CHP-Kandidaten Ekrem Imamoğlu aberkannt worden ist, sei dieselbe, mit der Gülten Kışanak als Bürgermeisterin von Amed (Diyarbakir) abgesetzt und in sechs kurdischen Kreisstädten den am 31. März gewählten Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern die Anerkennung verweigert worden ist, so die Erklärung.
Verändertes Kräftegleichgewicht
Die Kommunalwahlen Ende März haben das Kräftegleichgewicht in der Türkei geändert, erklärt die HDP, die „Tür zu einem politischen Wandel und einer demokratischen Veränderung hat sich einen Spalt weit geöffnet“. Der Beschluss zur Wahlwiederholung in Istanbul wird vom Parteirat als Versuch gewertet, den „politischen Blutverlust“ der Regierung zu stoppen. In Istanbul gehe es nicht nur um eine Kommunalwahl: „Der Regierungsblock kämpft um eine strategische Stellung, um dem von ihm gewünschtem autoritären Regime Dauerhaftigkeit zu verleihen.“
Die HDP werde wie in der Vergangenheit auch heute auf Demokratie setzen: „Die HDP ist sich der politischen Verantwortung bewusst, dass sie eine Schlüsselrolle für eine demokratische Zukunft der Völker der Türkei einnimmt. Wir brauchen jedoch nicht nur Erfolg an den Wahlurnen. An dieser für die Türkei kritischen Weggabelung besteht dringender Bedarf danach, dass sich die gesamte gesellschaftliche Opposition an einem gemeinsamen Punkt trifft und ihre Kräfte in einem demokratischen Bündnis vereint, das über Wahlen hinausgeht. Wahlen sind wichtige politische Anhaltspunkte, aber nicht das ganze Leben besteht aus Wahlen und der Kampf wird nicht nur an der Urne ausgetragen. Vor uns liegt die unaufschiebbare Aufgabe, gegen ein autoritäres Regime zu kämpfen, das sich gegen die Geschichte, die Kultur, das Brauchtum und das Zusammenleben der Völker stellt.
Als HDP legen wir der Türkei eine politische Alternative vor. Diese Alternative gilt einem demokratischen Bündnis, damit wir auf der Grundlage einer gesellschaftlichen Versöhnung der Völker der Türkei und eines würdevollen Frieden gemeinsam in einem gemeinsamen Land und einer pluralistischen, geschlechterbefreiten, gleichberechtigten, laizistischen und demokratischen Republik leben können.“