Ehemalige HDP-Vorsitzende bleibt in Haft

Im Prozess gegen die ehemalige HDP-Vorsitzende Figen Yüksekdağ in Ankara ist die Fortsetzung der Untersuchungshaft angeordnet worden.

Rund zweieinhalb Jahre nach der Festnahme der ehemaligen Ko-Vorsitzenden der Demokratischen Partei der Völker (HDP), Figen Yüksekdağ, ist am Freitag in der elften Hauptverhandlung vor einem Strafgericht in Ankara die Fortsetzung der Haft angeordnet worden.

Im Hauptverfahren, in dem Yüksekdağ bis zu 83 Jahre Gefängnis drohen, wird die Politikerin unter anderem beschuldigt, eine Terrororganisation gegründet und geleitet zu haben. Außerdem soll sie nach Auffassung der Staatsanwaltschaft „Propaganda“ für die PKK und „Separatismus“ betrieben haben. Die 92 Seiten lange Anklage stützt sich bei ihren Vorwürfen lediglich auf Reden und Aussagen in Interviews, die Figen Yüksekdağ als parlamentarische Abgeordnete tätigte. Dabei geht es auch um einen Aufruf zu den Kobanê-Protesten im Oktober 2014. Als es am Abend des 6. Oktober der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gelungen war, ins Zentrum der nordsyrischen Kantonshauptstadt einzudringen, riefen die HDP und ihre damaligen Vorsitzenden angesichts der kritischen Situation die Bevölkerung Nordkurdistans und der Türkei zu einem unbefristeten Protest gegen die AKP auf, da die türkische Regierung ihre Unterstützung für den IS nicht beendete.

Während den Protesten kam es in vielen Städten zu regelrechten Straßenschlachten zwischen Sicherheitskräften und Protestierenden: Soldaten, Polizisten, Dorfschützer sowie Mitglieder und Anhänger der radikalislamistischen Hizbullah führten einen gemeinsamen Kampf gegen Kurd*innen, die sich an den Protesten gegen den IS beteiligten. Die Zahl der dabei getöteten Personen, bei denen es sich größtenteils um Teilnehmer*innen des Aufstands handelte, schwankt zwischen 46 und 53. Politiker aus dem Lager der AKP, allen voran Staatspräsident Erdoğan, greifen immer wieder auf die Behauptung zurück, Yüksekdağ, Demirtaş und die HDP seien für den Tod dieser Menschen verantwortlich, da sie es waren, die zu den Protesten aufgerufen hatten.

Ein weiterer Anklagepunkt gegen Figen Yüksekdağ ist eine Rede, die sie nach dem Anschlag von Pirsûs (Suruç) gehalten hat. Nachdem Anfang 2015 Kobanê vom IS befreit wurde, rief die Föderation der sozialistischen Jugendverbände der Türkei (SGDF) zu einer Kampagne zum Wiederaufbau der durch die IS-Terroristen zerstörten Stadt auf. Aus mehreren Städten der Türkei und Nordkurdistans kamen daraufhin am 20. Juli etwa 300 Jugendliche in der Grenzstadt Pirsûs im Kulturzentrum Amara zusammen, um anschließend gemeinsam nach Kobanê einzureisen. Um die Mittagszeit verursachte ein Selbstmordattentäter des IS in direkter Umgebung der SGDF-Versammlung eine Explosion, bei der 33 hauptsächlich junge Menschen ihr Leben verloren. Mindestens 76 weitere Menschen wurden bei dem Anschlag teils schwer verletzt.

Yüksekdağ hatte in ihrer Rede in Anspielung auf die IS-Unterstützung Ankaras gesagt: „Ihr könnt im Mittleren Osten nicht zu einer Regionalmacht werden, wenn ihr euch an Islamisten lehnt, die Menschen köpfen. Kehrt um vom falschen Weg. Wir wenden uns denjenigen zu, die sich dieser Gräueltaten widersetzen. Das sind die YPG und es ist die PYD“.

Yüksekdağ in zwei weiteren Verfahren bereits verurteilt

An die Verhandlung gestern im Gefängniskomplex Sincan wurde Figen Yüksekdağ über das Videoliveschaltungssystem SEGBIS aus dem Hochsicherheitsgefängnis in Kandira eingebunden. Die Politikerin erklärte, keine der ihr zum Vorwurf gemachten Reden oder Aussagen stelle einen Straftatbestand dar und forderte ihre Freilassung. Das Gericht lehnte ab und vertagte die Verhandlung auf den 14. Juni.

Im vergangenen Dezember wurde in einem weiteren Verfahren eine anderthalbjährige Haftstrafe gegen Figen Yüksekdağ bestätigt. Die Politikerin wurde für ein Interview verurteilt, das sie im Jahr 2015 der Deutschen Welle gegeben hat. Am 6. Juni 2017 war deswegen ein Verfahren wegen „Propaganda für eine terroristischen Vereinigung“ eingeleitet worden.

Im Februar ist die Politikerin wegen Präsidentenbeleidigung ebenfalls zu anderthalb Jahren Haftstrafe verurteilt worden, weil sie im staatsanwaltschaftlichen Verhör Erdoğans politische Vergangenheit angezweifelt hat.

Wer ist Figen Yüksekdağ?

Figen Yüksekdağ ist Mitgründerin der Sozialistischen Partei der Unterdrückten (Ezilenlerin Sosyalist Partisi, ESP) und war bis September 2014 deren Vorsitzende. Nach der Niederlegung ihres Amtes trat sie zur HDP über. Noch im gleichen Jahr schloss sich dann die ESP der als Dachpartei mehrerer Kleinparteien fungierenden HDP an. Auf dem zweiten HDP-Parteikongress wurde Figen Yüksekdağ am 22. Juni 2014 zur Ko-Vorsitzenden gewählt. Zeitgleich mit Selahattin Demirtaş und zahlreichen weiteren HDP-Abgeordneten wurde sie am 4. November 2016 auf Betreiben des türkischen Präsidenten Erdoğan verhaftet.