Durchsuchungsanordnung gegen Demirtaş aufgehoben

Die Anordnung zur Durchsuchung seiner Schuhe bei jedem Verlassen und Betreten seiner Zelle vor einer Kamera gegen den ehemaligen HDP-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş wurde aufgehoben.

Türkische Willkürjustiz

Die gegen den kurdischen Rechtsanwalt Selahattin Demirtaş verhängte Durchsuchungsanordnung ist wieder aufgehoben worden. Wie sein Verteidiger Ramazan Demir am Donnerstag auf der Plattform „X“ (ehemals Twitter) schrieb, habe die Vollzugsleitung des Hochsicherheitsgefängnisses Edirne von der Beibehaltung der Maßnahme gegen den 50-Jährigen abgesehen, bei jedem Verlassen und Betreten seiner Zelle vor einer Kamera die Schuhe auszuziehen. Der Vorgang sei ohnehin „rechtswidrig“ gewesen, so Demir.

Am Mittwoch war bekannt geworden, dass der frühere HDP-Vorsitzende Demirtaş dieser entwürdigenden Behandlung ausgesetzt wurde, sich vor und nach Besuchen vor laufender Kamera die Schuhe auszuziehen. Er selbst bezeichnete die Anordnung als nicht hinnehmbar und verweigerte aus Protest, seine Zelle für Besuche zu verlassen. Auch in sozialen Netzwerken formierte sich Empörung und Wut. Viele User sahen im Umgang mit Demirtaş symbolhaft die Entrechtung der kurdischen Gesellschaft durch eine Willkürjustiz. Offenbar ist der Erfolg gegen die Maßnahme auch den Protesten geschuldet: Rechtsanwalt Demir bedankte sich bei der Öffentlichkeit für ihre Solidarität und Unterstützung in der Sache.

DEM: Angriff auf die Menschenwürde

Die DEM-Partei, die die Nachfolge der von einem Verbot bedrohten HDP angetreten ist, sprach ebenfalls von einem entwürdigenden und rechtswidrigen Schritt. Das Vorgehen gegen Demirtaş ziele darauf ab, die Arbeit der DEM für die Kommunalwahlen am 31. März zu behindern. „Als DEM-Partei führen wir eine Wahlkampagne, an der auch unsere inhaftierten Genossinnen und Genossen teilnehmen. Die Regierung sieht sich im Wahlkampf angesichts des Zuspruchs aus der Bevölkerung für uns politisch geschwächt und greift von Anfang an zu rechtlosen Methoden. Die DEM-Partei wird sich durch Rechtswidrigkeiten und Angriffen auf die Menschenwürde nicht stoppen lassen. Wir rufen dazu auf, die zunehmenden unmenschlichen Maßnahmen gegen Demirtaş und andere politische Gefangene sofort zu stoppen“, hieß es in einer Stellungnahme.

Demirtaş trotz EGMR-Urteil im Gefängnis

Selahattin Demirtaş ist seit mehr als sieben Jahren im Gefängnis. Der damalige HDP-Vorsitzende wurde im November 2016 zusammen mit neun weiteren HDP-Abgeordneten, darunter der früheren Ko-Vorsitzenden Figen Yüksekdağ, verhaftet. Trotz eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) wird er nicht freigelassen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm im Hauptverfahren unter anderem Gründung und Führung einer Terrororganisation, Terrorpropaganda und Volksverhetzung vor. Die Anklage baut auf 31 Ermittlungsberichten auf, die dem türkischen Parlament während seiner Zeit als Abgeordneter zur Aufhebung der Immunität vorgelegt worden waren. Sollte Demirtaş verurteilt werden, drohen ihm bis zu 142 Jahre Haft. Im Verfahren um die Proteste vom Oktober 2014 gegen die türkische Unterstützung für die Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) beim Überfall auf die Stadt Kobanê in Rojava werden für Demirtaş sogar bis zu 15.000 utopische Jahre Gefängnis gefordert. In mehreren Verfahren, darunter wegen Präsidentenbeleidigung, wurde Demirtaş bereits zu verschieden hohen Haftstrafen verurteilt.