Das Verhalten in Bezug auf die israelischen Angriffe auf den Gaza-Streifen enthüllt die Heuchelei der türkischen Politik, angefangen bei der Regierung bis hin zur Opposition. Während israelische Angriffe auf Moscheen, Krankenhäuser und zivile Einrichtungen in Gaza einstimmig verurteilt werden, unterstützt die Opposition die Angriffe der türkischen Armee auf die zivile Infrastruktur, Gebetshäuser und Krankenhäuser in Rojava. Der Antrag des Präsidialamtes auf eine Verlängerung des Mandats für Auslandseinsätze der Armee im Irak und Syrien um weitere zwei Jahre wurde mit breiter Mehrheit von 357 zu 164 Stimmen angenommen. Lediglich die HEDEP hat sich gegen den Antrag gestellt. Die CHP stimmte ebenfalls nicht zu, erklärte jedoch, dass dies nicht aufgrund ihrer Ablehnung grenzüberschreitender Operationen geschehe, sondern weil der Antrag auch die Präsenz „ausländischer Soldaten“ in der Türkei beinhalte. Damit schloss sie sich der erwarteten Koalition der Kriegstreiber gegen Rojava und Südkurdistan an.
„Die Türkei will Rojava isolieren und die kurdische Bevölkerung vertreiben“
Esengül Demir, die Ko-Sprecherin des Demokratischen Kongresses der Völker (HDK), analysiert in einem Gespräch mit ANF die Rolle der Opposition im Krieg. Sie beschreibt zunächst die Dimension des Angriffs auf Rojava und spricht von dem seit Jahren aufrechterhaltenen Embargo gegen die selbstverwaltete Region. Die Türkei versuche auf diese Weise, Rojava von Südkurdistan, das von einer türkeitreuen Marionettenregierung der PDK kontrolliert wird, vollständig abzuschneiden. Demir erklärt: „Die Türkei versucht, Rojava international unter Druck zu setzen und die kurdische Bevölkerung durch Angriffe zu vertreiben. Sie verfolgt eine besondere Form von Politik, um die gesamte Region unter ihre Kontrolle zu bringen. Sie nutzt ihre Möglichkeiten, um bestimmte Entscheidungen in internationalen Organisationen wie der NATO und den Vereinten Nationen zu verhindern.“
„Das neue Leben dort wird angegriffen“
Daher sei die Türkei in der Lage, die Erlaubnis von den internationalen Mächten zu erhalten, um in den Luftraum von Rojava einzudringen und Angriffe mit Drohnen durchzuführen, so Esengül Demir. Die Türkei habe mit ihren Angriffen, die insbesondere auf Vertreter:innen der basisdemokratischen Selbstverwaltung abzielen, das in Rojava aufgebaute neue Leben im Visier. Darüber hinaus habe der türkische Außenminister offen angekündigt, die zivile Infrastruktur und die Energieversorgung von Rojava ohne Unterschied anzugreifen. Dieses offen angekündigte Kriegsverbrechen wurde ab dem 4. Oktober in großem Maßstab in die Tat umgesetzt.
Angriffe auf Lebensmittelspeicher
Esengül Demir erklärt, dass die Haltung der Türkei zu den Angriffen Israels auf Palästina klar sei und sie diese in ihren öffentlichen Erklärungen zum Ausdruck gebracht habe. Sie betonte, dass die Türkei einerseits gegen den Tod der Zivilbevölkerung in Palästina protestiere, andererseits aber genau solche Angriffe gegen Rojava durchführen lasse. Demir führt aus: „Wenn man gegen den Tod von Zivilist:innen protestiert und der Meinung ist, dass das Kriegsvölkerrecht verletzt wurde, dann muss die Reaktion überall gleich sein, egal wo auf der Welt solche Verbrechen geschehen. Aber die Türkei verübte an denselben Tagen Angriffe auf Lebensmittelspeicher, Wasserversorgung und Krankenhäuser. Bereits vor einem Jahr wurden Daten veröffentlicht, die belegen, wie bei einem türkischen Angriff auf ein Krankenhaus Frauen, Kinder und Dutzende Zivilist:innen ihr Leben verloren haben. Die Bilder von Kindern, deren Körper bei den türkischen Angriffen verbrannt sind, wurden teilweise mit Bildern aus palästinensischen Krankenhäusern verwechselt. Einige von ihnen wurden sogar als Bilder von israelischen Angriffen präsentiert.“
„Die Opposition in der Türkei ist ebenfalls verlogen“
Esengül Demir kritisiert, dass sich die Opposition in der Türkei hinter die heuchlerische Politik der Regierung stelle und gemeinsam versuche, die Weltöffentlichkeit zu täuschen. Die HDK-Sprecherin erinnert an die Verabschiedung der Verlängerung des Auslandseinsatzmandats zur Fortsetzung des Krieges in Syrien und im Irak durch das türkische Parlament und sagt: „Während die Opposition in ihrem eigenen Parlament eine Kriegsresolution verabschiedet, um in das Territorium eines anderen Landes einzumarschieren und es anzugreifen, verurteilt sie lautstark Israel. Die Oppositionsparteien in der Türkei ignorieren nicht nur die Angriffe auf Rojava, sie unterstützen sogar seit 2013 die Haltung der Regierung gegenüber Rojava. Auch bei den jüngsten Angriffen haben sie keine Stellung gegen die Entscheidung der Türkei bezogen und sich auf die Erklärung des Außenministers berufen. Das zeigt, dass die Opposition hinter dem türkischen Staat und der Regierung steht und die gleiche Sichtweise auf die Kurdinnen und Kurden und die kurdische Politik verfolgt wie alle vorherigen Regierungen der Türkei. Es ist klar, dass sie keine Stellung dagegen beziehen wird. Diese Opposition, die gegen Israel protestiert, bleibt taub, stumm und blind, wenn es um Rojava geht. Die Opposition spielt daher eine Rolle bei den Angriffen auf Rojava. Nicht nur die Regierung, sondern auch die Opposition trägt Verantwortung für diese Angriffe und die Fortsetzung der Kriegspolitik, denn sie unterstützt die Angriffe, protestiert nicht und trifft Entscheidungen, die sie legitimieren.“