„Die Freiheit der Frau ist die Freiheit der Gesellschaft“

In Kiel hat im Rahmen der kurdischen Kulturwochen eine Veranstaltung mit der PYD-Politikerin Asya Abdullah zum Aufbau der Frauenrechtsbewegung in Nord- und Ostsyrien stattgefunden.

Asya Abdullah ist Mitbegründerin und Ko-Vorsitzende der Partei der demokratischen Einheit (PYD). Sie wurde in Dêrik, einer kurdischen Stadt in Nordsyrien, geboren. Sie setzt sich für die demokratische Teilhabe der kurdischen Bevölkerung ein, insbesondere für Frauen und unterdrückte Geschlechter, um deren politische Stärkung zu erreichen. Am 26. Oktober beantwortete die Politikerin im Rahmen der kurdischen Kulturwochen in Kiel Fragen zum Aufbau der Frauenrechtsbewegung in Rojava und darüber hinaus. Die Veranstaltung fand vor knapp 100 Menschen im Atelierhaus im Anscharpark statt.

Zunächst begann Abdullah ihre Ausführungen mit dem Verweis auf die anhaltende Unterdrückung von Kurd:innen und anderen ethnischen sowie religiösen Gruppen im Syrien vor der Revolution von 2011 durch das Baath-Regime. Aus dieser Unterdrückung folgte ein stetiger Kampf, wobei Rojava von den Kämpfen in anderen Teilen Kurdistans beeinflusst wurde und gleichzeitig auch die Kämpfe in anderen Teilen beeinflusste. Mit der Grenzziehung und der Entstehung von Nationalstaaten versuchten die Herrscher, die kurdische Selbstbestimmung zu zerschlagen und ihre kämpferischen Ambitionen zu brechen. Zu diesem Zweck erfolgte eine politische und kulturelle Unterdrückung, der speziell auch Frauen ausgesetzt waren. Sie wurden festgenommen und für viele Jahre inhaftiert, wenn sie sich der Frauenbefreiung widmeten und sich dem Kampf anschlossen. Mit der Entfaltung der Revolution bekam die Bevölkerung Rojavas ihre Identität zurück. Kultur und Sprache konnten wieder frei ausgelebt werden. Die für den Weg zur Revolution notwendigen Erfahrungen konnten Frauen bereits seit der Gründung der PYD im Jahr 2003 und dem zwei Jahre später unter dem Namen „Yekîtiya Star“gebildeten Dachverband der Frauenbewegung (heute Kongra Star) sammeln.

Mit dem Beginn der Revolution kamen Frauen aus allen Dörfern und Städten zusammen und entwickelten Konzepte zur eigenen Organisierung. Dabei wurden auch Erfahrungen aus anderen Revolutionen einbezogen und tiefgreifenden Veränderungen in Gesellschaft und Politik angestrebt. Die Basis dieser Revolution in Rojava war die aus den Gedanken des Vordenkers der kurdischen Freiheitsbewegung, Abdullah Öcalan, hervorgegangene Losung: „Die Freiheit der Frau ist die Freiheit der Gesellschaft“. Es entstanden Akademien für Frauen im wissenschaftlichen und militärischen Bereich. Frauen waren treibende Kraft der Revolution und brachten diese unter großer Opferbereitschaft voran. Im Kampf gegen den IS haben Frauen sich geopfert, damit alle anderen Menschen in Frieden leben können. Die IS-Mentalität war eine zutiefst frauenfeindliche und durch den großen Einsatz der Frauen in Rojava war es möglich, den IS zu besiegen. Im Laufe der Revolution verankerte sich die Organisierung von Frauen in der Gesellschaft und es entwickelte sich ein kämpferisches und bewusstes Selbstverständnis der Frauen. Die Gründung der Frauenverteidigungseinheiten (YPJ) war eine aus der ständigen Gefährdung von Frauen resultierende Notwendigkeit, um die Selbstverteidigung gewährleisten zu können. Im politischen Bereich wurde das System der Ko-Vorsitzenden eingeführt und politische Führungsstellen somit im Hinblick auf das Geschlecht paritätisch besetzt.

Die aktuelle Situation der Frauen in Rojava ist gekennzeichnet von der stetigen Bedrohung durch den IS und den türkischen Staat. Durch die völkerrechtswidrigen Angriffskriege der türkischen Armee entstanden große Fluchtbewegungen. Besonders betroffen waren Frauen und Kinder. In den besetzten Gebieten sind sie Inhaftierung und Folter ausgesetzt. Die Kinder werden zwangsverheiratet. Frauen leisten jedoch auch in den besetzten Gebieten Widerstand. Die türkischen Angriffe richten sich gegen widerständige Frauen. Frauen wie Hevrîn Xelef, die im gesellschaftlichen und politischen Kampf tätig sind, werden dabei gezielt ermordet. Um dieser Bedrohungslage etwas entgegen zu setzen, wird die Organisierung der Frauen weiter vorangetrieben. Frauen verschiedener Ethnien schließen sich zusammen und verbessern gemeinsam die Bildung und Wissenschaft. Die Wissenschaft der Frau (Jineolojî) ist dabei von zentraler Bedeutung.

Zum Abschluss der Veranstaltung verwies Asya Abdullah auf die internationale Dimension des Frauen- und Freiheitskampfes. Internationalisten wie Andok Cotkar oder Azad Şergeş haben ihr Leben für die Revolution gegeben und dürfen nicht in Vergessenheit geraten. Die Revolution braucht internationale Unterstützung darüber hinaus in Politik und Gesellschaft, da diese grundlegend für das Andauern der Revolution ist. Ein Ende der Isolation Abdullah Öcalans sei darüber hinaus für eine friedliche Lösung kurdischer Selbstbestimmung unabdingbar.