Der Bundestag hat diese Woche einen Antrag gegen Straffreiheit für deutsche IS-Terroristen, die in Rojava inhaftiert sind, abgelehnt. Eingebracht wurde der Antrag mit dem Titel „Keine Straffreiheit für IS-Terroristen - Deutsche IS-Kämpfer zurücknehmen, vor Gericht stellen und internationale Gerichtsbarkeit schaffen“ (Drs. 19/27314) von der Bundestagsfraktion der Partei DIE LINKE. Diese fordert die umgehende Rückholung der im Autonomiegebiet von Nord- und Ostsyrien inhaftierten deutschen Mitglieder der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) samt ihrer Familienangehörigen sowie ihre Überstellung an die hiesige Justiz. Außerdem solle sich die Bundesregierung im Rahmen der Vereinten Nationen umgehend für die Zuständigkeit eines internationalen Gerichts für IS-Angehörige einsetzen, um die Verfolgung und Ahndung von Verbrechen gegen das Völkerstrafrecht zu ermöglichen. Der Antrag wurde mit den Stimmen der Regierungsfraktion aus CDU/CSU und SPD sowie der FDP und AfD abgelehnt. Nur die Grünen stimmten für die Initiative.
Hoch gepriesene Bekämpfung des islamistischen Terrors verkommt zu Lippenbekenntnis
Die entwicklungspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag und Initiatorin des Antrags, Helin Evrim Sommer, ist empört. „Es darf keine Straffreiheit für IS-Terroristen in Syrien geben. Die Bundesregierung muss inhaftierte IS-Terroristen und ihre Familienangehörige deutscher Staatsangehörigkeit – es handelt sich um 70 Deutsche – aus Nord- und Ostsyrien umgehend zurückholen“, fordert die Politikerin. „Durch die Ablehnung des Antrags tragen die Regierungsfraktionen CDU/CSU-SPD sowie die Fraktionen FDP und AfD zur Fortführung der Straflosigkeit von IS-Terroristen bei. Die hoch gepriesene Bekämpfung des islamistischen Terrors verkommt somit zum bloßen Lippenbekenntnis“, erklärt Sommer.
Keine Anerkennung von Verbrechen an Kurden im Irak als Völkermord
Auch eine von Sommer angestoßene parlamentarische Initiative, die Verbrechen des irakischen Regimes an den Kurdinnen und Kurden in den 1980er Jahren als Völkermord anzuerkennen und Gerechtigkeit für die Opfer herzustellen (Drs. 19/26562), fand keine Mehrheit im Bundestag – ebenfalls durch die Stimmen der Regierungsfraktion und FDP. Grüne und AfD enthielten sich der Stimme. In dem Antrag ging es um die Verbrechen des irakischen Baath-Regimes zwischen 1986 und 1989, als Saddam Hussein im Rahmen der „Anfal-Operation” bis zu 182.000 Kurd:innen und Angehörige christlicher Minderheiten ermorden ließ. In den Genozid waren auch deutsche Firmen verwickelt. Etwa 70 Prozent der Produktionsanlagen für die chemischen Kampfstoffe, die das irakische Militär gegen die Bevölkerung einsetzte, hatten Unternehmen aus Deutschland geliefert. Spätestens seit 1984 war die Bundesregierung durch den Bundesnachrichtendienst und US-Geheimdienste über die Rolle deutscher Firmen beim Bau der irakischen Giftgaslabore informiert. Dennoch genehmigte die Bundesregierung weiterhin die Exporte.
Ignoranz trotz deutscher Mitschuld
Mit dem Antrag der Linksfraktion wurde zudem gefordert, dass im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit mit dem Irak und der autonomen Kurdistan-Region (KRI) gezielte Unterstützungsmaßnahmen für die Überlebenden des Völkermords und ihre Angehörigen bereitgestellt werden, damit die bislang nur unzureichend behandelten gesundheitlichen Spätfolgen besser bewältigt werden können. Außerdem soll die wirtschaftliche und ökologische Rehabilitierung von zerstörten Gebieten in der Region unterstützt sowie die öffentliche Aufarbeitung der staatlichen Gewaltverbrechen gefördert werden.
„Die Regierungsfraktionen CDU/CSU-SPD sowie die Fraktionen FDP und AfD ignorieren mit der Ablehnung des Antrags das dunkelste Kapitel der kurdischen Geschichte. Trotz deutscher Mitschuld“, kritisiert Sommer. „Das ist ein Schlag ins Gesicht der Kurdinnen und Kurden, die seit Jahren für Anerkennung und Gerechtigkeit kämpfen.“ Für die Linksfraktion sei der Kampf um Gerechtigkeit für die kurdische Gesellschaft damit aber nicht beendet. „Die Kurdinnen und Kurden dürfen niemals wieder Opfer staatlicher Vernichtungspolitik werden – weder im Irak und im Iran, noch in Syrien oder in der Türkei“, so Sommer.
Hinweis: In einer früheren Version hieß es, die Anträge seien am Freitag abgelehnt worden. Tatsächlich fand dies bereits am Mittwoch und Donnerstag statt. Der Fehler wurde korrigiert.