BGH bestätigt lebenslange Haft für syrischen Folterer
Im weltweit ersten Prozess um staatliche Folter in Syrien hat der Bundesgerichtshof die lebenslange Haftstrafe gegen einen früheren syrischen Geheimdienstmitarbeiter bestätigt.
Im weltweit ersten Prozess um staatliche Folter in Syrien hat der Bundesgerichtshof die lebenslange Haftstrafe gegen einen früheren syrischen Geheimdienstmitarbeiter bestätigt.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die lebenslange Haftstrafe gegen einen früheren syrischen Geheimdienstoffizier wegen staatlicher Folter bestätigt. Mit dem am Montag veröffentlichten Urteil wies der BGH die Revision des Mannes ab. Er hatte Verfahrensfehler bemängelt. Die Verurteilung zu lebenslanger Haftstrafe ist damit rechtskräftig. (Az. 3 StR 454/22)
Das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz hatte den Mann im Januar 2022 im weltweit ersten Strafprozess zu Staatsfolter in Syrien verurteilt. Anwar R. wurde für schuldig befunden, Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben. Konkret handelte es sich laut Urteil um Tötung, Folter, schwerwiegende Freiheitsberaubung, Vergewaltigung und sexuelle Nötigung in Tateinheit mit Mord und weiteren Delikten. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass R. im Rahmen eines ausgedehnten und systematischen Angriffs gegen die syrische Zivilbevölkerung als Mittäter 27 Menschen ermordet sowie 4.000 Menschen in schwerwiegender Weise gefoltert hatte.
Die berüchtigte Vernehmungsabteilung 251
Nach Feststellung des OLG Koblenz hatte das syrische Regime ab 2011 Proteste unter Einsatz von Waffengewalt um jeden Preis niederschlagen lassen. Die Gewalt sei im Rahmen einer umfassenden Strategie ausgeübt worden, um die syrische Bevölkerung einzuschüchtern und gefügig zu machen. Nach der Anordnung des Regimes unter Staatspräsident Baschar al-Assad, die Protestbewegung gewaltsam im Keim zu ersticken, wurden Tausende Menschen festgenommen, gefoltert und teilweise getötet. Viele von ihnen landeten in der Vernehmungsabteilung 251 des Al-Khatib-Gefängnisses in Damaskus, wo sie „ohne rechtsstaatliches Verfahren eingesperrt, misshandelt und gefoltert worden sind“.
Als Flüchtling in Deutschland
Das OLG sah als erwiesen an, dass Anwar R. für die Führung des Gefängnisses zuständig war – auch im Tatzeitraum von April 2011 bis September 2012. Der heute 61-Jährige trug dabei wesentlich zur Aufrechterhaltung des Foltersystems bei. So seien Misshandlungen, Gewaltanwendung und sexuelle Übergriffe von Anwar R. als Mittel zur Erpressung von Aussagen gewollt gewesen. Auch Vergewaltigungen hätten die Gefangenen erdulden müssen. „Todesfälle nahm er als zwangsläufige Folge der Misshandlungen und der Haftbedingungen in Kauf”, betonten die Richter.
Anwar R. war 2014 als Flüchtling nach Deutschland eingereist. Als ein anderer syrischer Flüchtling in R. seinen Folterer erkannte und den Behörden meldete, kam das Strafverfahren gegen den Mann und später auch gegen einen zweiten syrischen Geheimdienst-Mitarbeiter, R.'s Mitangeklagten Eyad A., ins Rollen. Menschenrechtsorganisationen hatten das Urteil als wichtiges Signal für die Überlebenden und als Schritt im Kampf gegen weltweite Straflosigkeit begrüßt.
Prozess nach Weltrechtsprinzip
Grundlage für den Prozess war das Weltrechtsprinzip. Seit 2002 können bestimmte Verbrechen – Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen – in Deutschland geahndet werden, auch wenn weder die Tat hier geschehen ist noch die Angeklagten oder die Opfer aus Deutschland kommen. Der BGH betonte, das Koblenzer Urteil habe keine Rechtsfehler enthalten. Es sei rechtens gewesen, der Verurteilte könne sich auch nicht auf seine vorgebrachte Immunität berufen, weil er seine Tatbeiträge als „hoheitlich handelnder Staatsbediensteter” erbracht hatte. Lediglich hinsichtlich einiger Sexualdelikte nahm der BGH geringe Änderungen am Schuldspruch vor, die am Strafmaß jedoch nichts änderten.