Staatsfolter in Syrien: Bundesanwaltschaft fordert lebenslange Haft

Der laut der Bundesanwaltschaft weltweit erste Strafprozess um Staatsfolter in Syrien endet womöglich im Januar. Für den Hauptangeklagten Anwar R., frühere Befehlshaber des Al-Khatib-Gefängnisses in Damaskus, wird lebenslange Haft gefordert.

Im weltweit ersten Prozess um Staatsfolter in Syrien hat die Bundesanwaltschaft am Donnerstag für den Hauptangeklagten Anwar R. eine lebenslange Haftstrafe gefordert. Oberstaatsanwalt Jasper Klinge forderte in seinem Plädoyer vor dem Oberlandesgericht Koblenz eine Verurteilung wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Mord sowie Vergewaltigung. Zudem soll das Gericht die besondere Schwere der Schuld feststellen.

Der 58-jährige frühere Befehlshaber des Al-Khatib-Gefängnisses in Damaskus, Anwar R., steht im Verdacht, zwischen April 2011 und September 2012 als Vernehmungschef für die grausame und vielfältige Folter von mindestens 4.000 Menschen, die Tötung von 58 Menschen und sexualisierte Gewalt verantwortlich gewesen zu sein. Seinen Mitarbeiter Eyad A. verurteilte das Gericht im vergangenen Februar wegen der Beihilfe zu Folter in mindestens 30 Fällen zu einer Haftstrafe von viereinhalb Jahren (Az. 1 StE 9/19). Damit wurde erstmals ein ehemaliger Angehöriger des syrischen Geheimdienstes für Völkerrechtsverbrechen verurteilt.

Urteil für 13. Januar erwartet

Die Verhandlung gegen Anwar R. lief noch weiter. Dieser bestritt die Vorwürfe. Er hatte zu Prozessbeginn erklärt, er habe insgeheim mit der syrischen Opposition sympathisiert und sie nach seiner Flucht aus seiner Heimat unterstützt. Das Urteil im Fall des mutmaßlichen Hauptbeschuldigten könnte laut Oberstaatsanwalt Jasper am 13. Januar 2022 fallen.  

Prozess nach Weltrechtsprinzip

Der Prozess gegen die beiden Beschuldigten hatte im April 2020 begonnen. Ins Rollen war der Fall gekommen, nachdem nach Deutschland geflüchtete Opfer ihre mutmaßlichen Peiniger wiedererkannt hatten. Sie berichteten im Prozess detailliert davon, wie sie im Gefängnis gefoltert worden waren. Dass der Prozess in Deutschland stattfindet, liegt am sogenannten Weltrechtsprinzip im Völkerstrafrecht. Demnach dürfen auch Taten verhandelt werden, die keinen unmittelbaren Bezug zu Deutschland haben. Verbrechen im Zusammenhang mit dem IS-Genozid an den Ezidinnen und Eziden sind in Deutschland ebenfalls bereits nach dem Weltrechtsprinzip geahndet worden.