Lebenslange Haft im Prozess um Staatsfolter in Syrien
Im weltweit ersten Prozess um Staatsfolter in Syrien hat das Oberlandesgericht Koblenz den Hauptangeklagten zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.
Im weltweit ersten Prozess um Staatsfolter in Syrien hat das Oberlandesgericht Koblenz den Hauptangeklagten zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.
Im weltweit ersten Prozess um Folterungen in Syrien ist der Angeklagte am Donnerstag zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden. Das Oberlandesgericht Koblenz sprach den 58-jährigen Anwar Raslan wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, 27-fachen Mordes, gefährlicher Körperverletzung in 25 Fällen, besonders schwerer Vergewaltigung, sexueller Nötigung, Freiheitsberaubung, Geiselnahme und sexuellen Missbrauchs von Gefangenen schuldig. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Die Bundesanwaltschaft hatte dem ehemaligen Befehlshaber des vom syrischen Geheimdienst betriebenen Al-Khatib-Gefängnisses in Damaskus vorgeworfen, zwischen April 2011 und September 2012 als Vernehmungschef für die grausame und vielfältige Folter von mindestens 4.000 Menschen verantwortlich war. Mindestens 30 Gefangene seien gestorben. Zu Beginn des Prozesses war Raslan 58-facher Mord vorgeworfen worden. Die Zahl der Ermordeten setzte die Bundesanwaltschaft in ihrem Plädoyer Anfang Dezember wegen fehlender Beweise jedoch herab.
Der Angeklagte selbst bezeichnete sich bis zuletzt als unschuldig. Er habe nicht gefoltert und auch keinen einzigen Befehl dazu erteilt. Im Gegenteil, er habe auch für Freilassungen gefangener Demonstranten des Arabischen Frühlings gesorgt. Insgeheim habe er mit der syrischen Opposition sympathisiert und sie nach der Flucht aus seiner Heimat unterstützt, erklärte Raslan zynisch. Eyad al-Gharib, ein Mitangeklagter von Anwar Raslan, war bereits im Februar 2021 vom OLG Koblenz zu viereinhalb Jahren Haft wegen Beihilfe zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt worden. Er habe 2011 in Syrien dazu beigetragen, 30 Demonstrierende in das berüchtigte Foltergefängnis des Hauptangeklagten zu bringen.
Richter spricht Opfern Anerkennung aus
Der Prozess gegen die beiden Beschuldigten hatte im April 2020 begonnen. Ins Rollen war der Fall gekommen, nachdem nach Deutschland geflüchtete Opfer ihre mutmaßlichen Peiniger wiedererkannt hatten. Sie berichteten im Prozess detailliert davon, wie sie im Gefängnis gefoltert worden waren. In der Urteilsbegründung sprach der Vorsitzende Richter am OLG Koblenz ihnen seine Anerkennung aus. Sie hätten teilweise trotz großer Furcht vor dem syrischen Regime ausgesagt. Sie hätten dies getan, obwohl sie sich um sich selbst oder ihre Familien gesorgt hätten. „Dafür gilt ihnen mein ganzer Respekt.“
Menschenrechtsorganisationen: Historisches Urteil
Menschenrechtsorganisationen würdigten das Urteil als historisch. Die Gerichtsentscheidung sei ein bedeutendes Signal „im weltweiten Kampf gegen die Straflosigkeit“, erklärte Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland. Weitere Prozesse in Deutschland und anderen Staaten müssten nun folgen. Auch der Vorsitzende von Human Rights Watch, Kenneth Roth, sagte: „Das ist wirklich historisch.“ Das Urteil weise den Weg für andere derartige Prozesse.
Prozess nach Weltrechtsprinzip
Dass Anwar Raslan und Eyad al-Gharib in Deutschland der Prozess gemacht wurde, liegt am sogenannten Weltrechtsprinzip im Völkerstrafrecht. Dieses erlaubt es, auch hierzulande mögliche Kriegsverbrechen von ausländischen Personen in anderen Staaten zu verfolgen und damit Taten zu verhandeln, die keinen unmittelbaren Bezug zu Deutschland haben. Verbrechen im Zusammenhang mit dem IS-Genozid an den Ezidinnen und Eziden sind in Deutschland ebenfalls bereits nach dem Weltrechtsprinzip geahndet worden.