Bewährungsstrafen für Gedenken an Anschlagsopfer

In Riha sind neunzehn Personen zu Bewährungsstrafen verurteilt worden, weil sie an einem Gedenken für die Opfer des Anschlags auf die Friedenskundgebung in Ankara am 10. Oktober 2015 mit 103 Toten teilgenommen haben.

An einem türkischen Gericht in Riha (tr. Urfa) ging diese Woche der Prozess gegen neunzehn Personen zu Ende, die wegen einer Gedenkdemonstration angeklagt waren. Der Richter an der 8. Strafkammer des Landgerichts Urfa sah es als erwiesen an, dass die Beschuldigten mit ihrer Teilnahme an der „unerlaubten“ Veranstaltung einen Tag nach dem verheerenden Anschlag auf die Friedenskundgebung am 10. Oktober 2015 in Ankara mit mehr als hundert Toten und über 500 Verletzten gegen das türkische Versammlungsgesetz verstoßen hätten. Alle Betroffenen wurden zu Bewährungsstrafen von jeweils fünf Monaten verurteilt.

Bei den Verurteilten handelt sich um Leyla Coşkun, Mehmet Duvar, Rıdvan Yavuz, Ruken Kılınç, Ali Azger, Atila Yazar, Besra Yıldırım, Celal Babacan, Dilek Çakırtaş, İbrahim Halil Sağlam, Mehmet Duvar, Mehmet Melik, Nalan Durdu, Reşat Doğan, Servet Yazar, Sevinç İzol Özipek, Vedat Gökler, Leyla Sezen und Yusuf Geçgel. Sie alle waren zusammen mit sechs weiteren Personen im Dezember 2015 zunächst noch unter den Vorwürfen „Terrorpropaganda“ und „Präsidentenbeleidigung“ festgenommen worden, später jedoch wieder freigelassen worden. Die Generalstaatsanwaltschaft Urfa stellte sich ganz offensichtlich stur und strengte ein Verfahren an. Unter den Angeklagten waren auch die Ko-Vorsitzenden der Plattform für Arbeit und Demokratie, die die Gedenkkundgebung organisiert hatte. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Anschlag von Ankara

Am 10. Oktober 2015 kamen insgesamt 103 Menschen bei einem terroristischen Anschlag auf eine Friedenskundgebung am Bahnhof in Ankara ums Leben. Die Regierung machte die Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) verantwortlich, vieles deutete allerdings auf eine Verwicklung des türkischen Geheimdienstes hin. Der Anschlag stellte einen direkten Angriff auf die Friedensbewegung dar, die damals weite Teile der Bevölkerung in der Türkei erfasste. Ihm folgte eine Eskalation staatlicher Gewalt, die in die Belagerung und Zerstörung kurdischer Städte mündete. Zuvor hatte das Regime den Friedensprozess einseitig beendet und war durch seine Unterstützung für den sogenannten IS in die Schlagzeilen geraten. Wenige Monate vor dem Attentat von Ankara waren beim Anschlag von Pirsûs (Suruç) am 20. Juli 2015 insgesamt 33 junge Aktivist*innen von einem Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt worden. Die Täter gehörten einer islamistischen Zelle aus Semsûr (Adıyaman) an, die auch für den Anschlag am 5. Juni 2015 in Amed (Diyarbakir) verantwortlich ist.