KCK-Erklärung zum Jahrestag des Massakers von Ankara

Die KCK erinnert an das Massaker an über einhundert Friedensdemonstrant*innen am 10. Oktober 2015 in Ankara und kündigt die Fortsetzung der Kampfes für eine demokratische Türkei und ein freies Kurdistan an.

Das Massaker vom Bahnhof in Ankara jährt sich am Samstag zum fünften Mal. Bei dem Anschlag am 10. Oktober 2015 kamen 103 Menschen ums Leben, mehr als 500 Menschen wurden verletzt. Zu der Kundgebung hatten die Demokratischen Partei der Völker (HDP) und der linke Gewerkschaftsbund KESK unter dem Motto „Arbeit, Frieden, Demokratie“ aufgerufen. Die Demonstrant*innen forderten das Ende der Angriffe des türkischen Militärs auf die kurdische Zivilbevölkerung. Anlässlich dieses Jahrestages hat der Ko-Vorsitz des Exekutivrats der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK) eine schriftliche Erklärung veröffentlicht. Darin heißt es: „Wir erinnern voller Respekt und Dankbarkeit an die Gefallenen des Massakers am 10. Oktober 2015 und versprechen, ihre Sehnsucht nach einer demokratischen Türkei und einem freien Kurdistan zu verwirklichen.

Am 10. Oktober 2015 wurde der Wunsch der Völker der Türkei nach einem freien, gleichberechtigten und demokratischen Zusammenleben angegriffen. Dieser Anschlag wurde von der AKP/MHP-Regierung in Zusammenarbeit mit dem „Islamischen Staat” (IS) begangen, um den Kampf der Völker in der Türkei und des kurdischen Volkes für Freiheit und Demokratie niederzuschlagen. Die sogenannten IS-Täter, die zum Bahnhof von Ankara geschickt wurden, waren Teil einer MIT-Struktur innerhalb des IS. Der IS benutzt die Türkei als sicheres Hinterland und wurde unter Kontrolle des türkischen Staates auf das kurdische Volk und die demokratischen Kräfte im Land losgelassen. Wer den IS als eine vom türkischen Staat getrennte Verbrecherorganisation betrachtet, verschließt die Augen vor der Realität und betätigt sich als Apologet des Regimes. Das Massaker vom 10. Oktober ist eine Fortsetzung des Massakers vom 5. Juni in Amed (türk. Diyarbakır) und vom 20. Juli in Pirsûs (Suruç).

Das AKP-Regime hat diese Angriffswelle auf die widerständigen Kräfte herbeigeführt. Auf diese Weise sollte die AKP an der Macht gehalten und der Krieg gegen die demokratischen Kräfte fortgesetzt werden. Dass die Ziele dieser als „IS-Anschläge“ bezeichneten Attacken die politische und gesellschaftliche Opposition gegen die AKP trafen, war kein Zufall. Es belegt, wie eng der IS und die AKP ineinander verzahnt sind. Dass der IS die Türkei als sicheres Hinterland und befreundeten Staat betrachtet, ist der konkrete Ausdruck dessen.

Der IS ist eine Verbrecherbande unter der Kontrolle der Türkei

Der IS hat sich die Gebiete unter der Kontrolle der Türkei als sicherstes Rückzugsgebiet ausgewählt. Die Mörderbanden flohen vor den aus Kurden, Arabern, Suryoye und vielen anderen Identitäten bestehenden Demokratischen Kräften Syriens (QSD) in die Türkei und in die von der Türkei besetzten Gebiete. Diese Tatsache zeigt erneut das Niveau der Beziehungen zwischen IS und Türkei. In dieser Hinsicht sollte sich niemand Illusionen hingeben. Mag der IS auch am Anfang teilweise unter der Kontrolle anderer Kräfte gestanden haben, so geriet er nun unter die vollständige Kontrolle der Türkei. Die Belege dafür liegen allen Geheimdiensten vor. Wenn sie es brauchen, werden diese einer nach dem anderen gegen die Türkei verwendet. So eine Regierung herrscht im Moment im Land.

Am 10. Oktober 2015 kamen die demokratischen Kräfte der Türkei mit dem kurdischen Volk in Ankara zusammen, um gemeinsam für eine demokratische Türkei einzutreten. Die Menschen, die sich vor dem Bahnhof versammelt hatten, stellten das Gesicht der demokratischen Türkei dar. Sie waren die wahre Türkei. Die Demokrat*innen, Revolutionär*innen, die Frauen-, Jugend- und Umweltbewegungen, welche die Zukunft der Türkei darstellen, kamen auf dem Platz zusammen. In diesem Sinne wurde hier die Zukunft der Türkei angegriffen. Die Herrschenden griffen an, um ihre Angst vor ihrem Ende zu beseitigen. Wenn das Regime die Mentalität und den Geist auf dem Platz durch das Massaker nicht gestört hätte, hätte dieser Geist die gesamte Gesellschaft erfasst und eine demokratische Allianz geschaffen. Das hätte den Tod des AKP/MHP-Regimes bedeutet. Das war die Angst der Faschisten. Aber die Feiglinge sterben viele Tode vor ihrem eigentlichen Tod. Die Zukunft der Türkei wird aus der Sehnsucht derjenigen, die auf diesem Platz gefallen sind, wachsen und neue Form annehmen. So viel Unterdrückung und Massaker auch begangen werden, es wird nicht verhindert werden können, dass eine demokratische Türkei geschaffen wird.

Antifaschistischen Kampf ausweiten

Die auf diesem Platz Gefallenen haben gezeigt, wie der Kampf gegen den AKP/MHP-Faschismus sein wird. Auf dem Platz hat sich die Realität von dem, was heute als demokratische Allianz bezeichnet wird, konkretisiert. Diejenigen, die heute fragen, wie eine solche Allianz aussehen müsse, sollten auf diesen Platz blicken. Genau wegen der Bedeutung dieser Allianz hat die faschistische AKP/MHP-Koalition angegriffen. Diese Tatsache kommt einem Befehl gleich, eine antifaschistische Allianz zu bilden und sich gegen die auf Kurdenfeindlichkeit beruhende Kriegspolitik zu stellen.

Um den Faschismus zu zerschlagen, Demokratie aufzubauen und die Völker in der Türkei zu befreien, ist es notwendig, die Allianz auf diesem Platz zu verwirklichen und den antifaschistischen Kampf auszuweiten. So sehr die faschistische Koalition auch angreifen mag, ihre Regierung ist die schwächste in der Geschichte der Türkei. Diese Schwäche wurde vom Kampf der Kurd*innen, der Sozialist*innen, der Frauenbewegung und allen demokratischen Kräften geschaffen. Wenn die demokratischen Kräfte zusammenkommen, dann wird das Leben des Regimes nur noch von kurzer Dauer sein. Wir müssen unserer Verantwortung gegenüber den Gefallenen vom 10. Oktober nachkommen, eine demokratische Allianz aufzubauen und noch stärker gegen den Faschismus zu kämpfen. Anders ist es nicht möglich, dem Gedenken an die Gefallenen und ihren Wünschen gerecht zu werden.

Als Freiheitskräfte des kurdischen Volkes werden wir im Gedenken an die Gefallenen vom 10. Oktober den Kampf für ein freies Kurdistan und eine demokratische Türkei bis zum Erreichen dieser Ziele fortsetzen. Wir werden diesen Kampf immer an der Seite der Völker der Türkei und des Mittleren Ostens führen. Wir werden gemeinsam diese Region zu einem Paradies der Geschwisterlichkeit der Völker machen, indem wir die Ängste des Regimes wahr machen und eine demokratische Einheit aufbauen. Auf dieser Grundlage rufen wir die Völker der Türkei auf, gemeinsam mit dem kurdischen Volk gegen den Faschismus zu kämpfen, die Türkei zu demokratisieren und für Gerechtigkeit und Freiheit zu sorgen.“