Aussetzung von HDP-Verbotsverfahren abgelehnt
In der Türkei sollen im Mai die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen stattfinden. Zuvor will das Verfassungsgericht in Ankara ein Urteil im Verbotsverfahren gegen die HDP fällen.
In der Türkei sollen im Mai die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen stattfinden. Zuvor will das Verfassungsgericht in Ankara ein Urteil im Verbotsverfahren gegen die HDP fällen.
Die Entscheidung über ein Verbot der Demokratischen Partei der Völker (HDP) wird voraussichtlich noch vor den im Mai geplanten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen gefällt. Das Verfassungsgericht in Ankara lehnte einen Antrag der HDP auf einen Aufschub des Verbotsverfahrens ab und ordnete die Verteidigung der Partei für März an. Damit bleibt es möglich, dass die drittgrößte Partei im türkischen Parlament noch vor der Wahl verboten wird.
Grundlage des Verbotsverfahrens gegen die HDP sind Anschuldigungen der türkischen Staatsführung über angebliche Verbindungen zur Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Der Chefankläger Bekir Şahin macht in seinem Verbotsantrag geltend, dass die HDP „fast wie ein Rekrutierungsbüro“ der PKK operiere. Die Partei weist die Vorwürfe zurück und spricht von einer politisch motivierten Offensive zur Ausschaltung der linken und demokratischen Opposition. Sie werde herausgegriffen, weil die HDP zusammen mit ihren Komponenten für Pluralismus und Demokratie stehe und damit die „größte Gefahr“ für die Allmachtsfantasien von Regimechef Recep Tayyip Erdogan darstelle.
Das türkische Verfassungsgericht hatte das Verbotsverfahren gegen die HDP im Juni 2021 eröffnet. Bei einem Verbot würde Erdogan rechtzeitig vor der am 14. Mai stattfindenden Wahl einen wichtigen politischen Gegner kaltstellen. Der türkische Präsident steht derzeit innenpolitisch immens unter Druck, insbesondere wegen der extrem hohen Inflationsrate und weiterer Probleme der türkischen Wirtschaft.
Die Entscheidung über ein Verbot hängt von einer Zweidrittelmehrheit in der 15-köpfigen Jury des türkischen Verfassungsgerichtshofs ab. Das Urteil ist bindend, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) kann das Verfahren nicht stoppen, aber die Türkei aufgrund einer Rechtsverletzung verurteilen.
Anfang Januar wurde die HDP bereits wegen des Vorwurfs der „Verbindungen zum Terrorismus“ von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen. Die Parteispitze bezeichnete den Schritt als „gezielte Sabotage“, um den Wahlkampf der HDP zu erschweren. Als Reaktion darauf wurde eine Spendenkampagne unter dem Namen „Unsere Schatzkammer ist das Volk“ initiiert. Die Kampagne wurde mit Spenden der HDP-Fraktion gestartet, beteiligen können sich allerdings nur türkische Staatsangehörige.
Die HDP sitzt als legale Partei im Parlament, steht aber schon seit Jahren unter Druck und wird von der islamistisch-nationalistischen Regierungskoalition aus AKP und MHP pauschal als „terroristisch“ gebrandmarkt. Tausende ihrer Mitglieder sitzen in türkischen Gefängnissen, hauptsächlich wegen Terrorvorwürfen. Die ehemaligen Ko-Vorsitzenden der Partei, Figen Yüksekdağ und Selahattin Demirtaş, sind seit 2016 inhaftiert.