Antrag auf Aufhebung des PKK-Verbots seit sechs Monaten anhängig

Vor sechs Monaten hat die PKK die Aufhebung ihres Betätigungsverbots beim Bundesinnenministerium beantragt. Bisher ist nicht mal eine Eingangsbestätigung ergangen. Rechtsanwalt Lukas Theune erläutert das Verfahren.

Am 26. November 1993 verfügte der damalige Bundesinnenminister Manfred Kanther ein Betätigungsverbot für die Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistan, PKK) in Deutschland. Im vergangenen Mai beantragte die PKK die Aufhebung dieses Betätigungsverbots und argumentierte, seit 1993 hätten sich die tatsächlichen Verhältnisse derart geändert, dass die Aufrechterhaltung des Verbots nicht mehr zu rechtfertigen ist. Die PKK begehe keine Straftaten in Deutschland und stelle damit keine Gefahr für die innere Sicherheit dar. Auch die Ideen und Ziele der Organisation hätten sich seitdem geändert. Die Türkei hingegen habe sich zu einem Regime entwickelt, das demokratische Grundsätze mit Füßen tritt.

Seit der Antragstellung durch die Rechtsanwälte Lukas Theune und Peer Stolle sind sechs Monate vergangen. Der Berliner Anwalt Dr. Theune hat sich gegenüber der Tageszeitung Yeni Özgür Politika zum Stand des Verfahrens geäußert.

Rechtsanwalt Dr. Lukas Theune

Seit Ihrem Antrag beim Bundesinnenministerium auf Aufhebung des PKK-Verbots sind sechs Monate vergangen. Haben Sie dazu bisher Rückmeldungen erhalten? Wie ist grundsätzlich das Vorgehen in dieser Hinsicht und was ist Ihre Erwartung?

Das Bundesministerium des Inneren, an das wir den Antrag gerichtet haben, verweigert sich traurigerweise jeder Kommunikation mit uns, nicht einmal den Eingang des Antrags haben sie bis jetzt bestätigt. Es ist rechtsstaatlich äußerst bedenklich, dass uns nicht einmal mitgeteilt wird, wer für die Bearbeitung zuständig ist und wann mit einer Entscheidung zu rechnen ist.

In einem rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahren hat eine Behörde drei Monate Zeit, um auf einen Antrag zu reagieren oder zumindest mitzuteilen, dass und warum sie länger benötigt. Unsere Geduld ist langsam erschöpft. Sollten wir nicht bald etwas vom BMI hören, können wir eine Untätigkeitsklage einlegen.

Zum Zeitpunkt Ihres Antrages hatte der Sprecher des Innenministeriums erklärt, dass „der Antrag abgelehnt wurde“. Gab es seitdem von Seiten der Regierung eine Stellungnahme zu diesem Thema? Wie beurteilen Sie das Vorgehen der Regierung? Und welche Dimension hat das für die Türkei?

Es gab bislang, soweit uns bekannt ist, keine offizielle Stellungnahme des Innenministeriums oder der Bundesregierung als Ganzes. Ein Journalist hatte an dem Tag, an dem wir den Antrag gestellt hatten, nachgefragt und diese Antwort erhalten. Da hatte aber unseren Antrag und die Begründung noch niemand lesen können. Die absolute Verweigerungshaltung, die die Bundesregierung bei dem Thema einnimmt, ist eines Rechtsstaats unwürdig. Es bleibt zu hoffen, dass sie hierin nicht durch die türkische Regierung angeleitet wird.

Wann wird es Ihrer Vermutung nach eine Rückmeldung diesbzgl geben? Wie werden Sie im Falle einer negativen Antwort vorgehen?

Wir hoffen und gehen davon aus, dass eine Antwort noch dieses Jahr erfolgen wird. Sollte das Ministerium unseren Antrag ablehnen, werden wir natürlich den Rechtsweg beschreiten.

Hat das PKK-Verbot unter den heutigen Bedingungen eine Grundlage? Auf welche Hauptargumente stützten Sie Ihren Antrag?

Das PKK-Verbot ist überholt. Die PKK gefährdet nicht die innere Sicherheit und begeht keine Straftaten in Deutschland. Sie verstößt auch nicht gegen den Gedanken der Völkerverständigung. Vielmehr ist es die Türkei, die unter Einsatz von Chemiewaffen und gezielten Tötungen durch Drohnen das Völkerrecht mit Füßen tritt. Das Verbot hat keine Grundlage mehr.

Welches Bild zeichnete bisher das Verbot? Wenn es aufgehoben wird, zu welcher Veränderung und Entwicklung wird es beitragen?

Das PKK-Verbot ist eine sich selbst bestätigen Maschinerie. Kurd:innen werden mit dem Verbot marginalisiert und ihrer Rechte beraubt. Gerade in Deutschland mit der uns eigenen Geschichte des Nationalsozialismus ist es besonders wichtig, gar nicht erst den Anschein zu erwecken, Minderheiten wegen ihrer politischen Meinung zu diskriminieren.

Die Aufhebung des Verbots wird ein Symbol für eine neue Politik des Miteinanders, der Inklusion aller Gruppen in die Gesellschaft sein und somit auch insgesamt Dialogmöglichkeiten wieder eröffnen.

Der Jahrestag des PKK-Verbots rückt näher. Was möchten Sie bei dieser Gelegenheit zum Verbot in Deutschland und dem Beharren darauf sagen, die PKK nicht von der „Liste terroristischer Organisationen“ zu streichen? Möchten Sie bei dieser Gelegenheit einen Appell richten an die Behörde, bei der Sie Ihren Antrag gestellt haben?

Dem Antrag, den wir an das Innenministerium gestellt haben, ist erst einmal nichts hinzuzufügen. Wir können an die Bundesregierung nur appellieren, nicht erneut die stolz verkündeten rechtsstaatlichen Prinzipien zu missachten, nur weil die Türkei ansonsten den NATO-Beitritt Schwedens und Finnlands zu blockieren droht. Die Bundesregierung sollte sich selbst rechtsstaatlich verhalten.

Welche Verantwortung trägt die Öffentlichkeit für die Ergebnisse dieses Antrags?

Der politische Einsatz für die Aufhebung des Verbots ist unschätzbar wertvoll. Das Ende der Kriminalisierung der Kurd:innen in Deutschland wird von einer Vielzahl von Initiativen, Gruppen und Einzelpersonen gefordert. Alle zusammen sollten jetzt ihre Stimmen erheben.