Rassistische Angriffe auf syrische Geflüchtete in Kayseri
In der zentralanatolischen Stadt Kayseri hat ein rassistischer Mob Geschäfte und Häuser von syrischen Flüchtlingen angegriffen.
In der zentralanatolischen Stadt Kayseri hat ein rassistischer Mob Geschäfte und Häuser von syrischen Flüchtlingen angegriffen.
In der türkischen Stadt Kayseri hat ein Mob Geschäfte und Wohnhäuser von syrischen Flüchtlingen angegriffen, nachdem zuvor ein Syrer wegen mutmaßlicher Belästigung eines Kindes festgenommen worden war. In sozialen Netzwerken und von Nachrichtenagenturen veröffentlichte Videos zeigen mehrere Gruppen von Männern, die am Sonntagabend durch ein Viertel im Bezirk Melikgazi ziehen und die Schaufenster von Lebensmittelläden und anderen Geschäften einschlagen und diese dann in Brand setzen. Auf anderen Aufnahmen sind Personen zu sehen, die mit Steinen und Metallstangen Fahrzeuge von syrisch gelesenen Menschen umwerfen und andere Besitztümer beschädigen.
„Wir wollen keine Syrer mehr, wir wollen keine Ausländer mehr!“, hört man einen Mann in einem Video rufen, das von der privaten türkischen Nachrichtenagentur DHA veröffentlicht wurde. Auf den Aufnahmen ist ein großes Polizeiaufgebot zu sehen.
Ein brennendes Auto in Kayseri | Foto via MA
Der Polizeichef von Kayseri rief den Mob zur „Zurückhaltung“ auf und erklärte, dass das Opfer von Belästigungen gewordene fünfjährige Kind ebenfalls die syrische Staatsangehörigkeit besitzt. Es sei nun in Obhut der Behörden. „Ich verspreche euch, alles daran zu setzen, dass der Täter und seine Familie abgeschoben werden.“ Zuvor war das Gerücht im Umlauf, das misshandelte Kind sei türkischer Volkszugehörigkeit. Innenminister Ali Yerlikaya sprach am Montag von 67 Personen, die wegen der Übergriffe auf die Geschäfte und Wohnungen syrischer Familien in Gewahrsam genommen worden seien.
Pogromartige Übergriffe
Syrische Flüchtlinge leben in der Türkei gefährlich. Die mehr als drei Millionen Syrer:innen, die vor dem Krieg fliehen mussten und nun in der Türkei leben, sind Opfer eines alltäglichen Rassismus und dienen der Gesellschaft als Sündenbock. Besonders in Großstädten wie Istanbul, Izmir und Ankara brechen schnell pogromartige Stimmungen gegen Syrerinnen und Syrer aus. Oftmals genügen Gerüchte, ein Araber habe ein türkisches Mädchen belästigt, und schon werden die Scheiben syrischer Geschäfte eingeschlagen. Jedes Jahr kommen Dutzende Menschen bei solchen Übergriffen ums Leben oder werden verletzt.
Ob die hohe Arbeitslosigkeit und fallende Löhne, steigende Mieten und die schlechte Wirtschaftslage im Land; nahezu alle Probleme werden den „ungebetenen Gästen“ angelastet. Besonders Türkinnen und Türken, die im Niedriglohnsektor arbeiten, sehen in den syrischen Flüchtlingen Konkurrenten, weil sie in ihrer Not bereit sind, für noch weniger Lohn zu arbeiten. Zudem hält sich das Vorurteil, die syrischen Flüchtlinge müssten keine Steuern und Sozialversicherungsbeiträge bezahlen. Ihnen wird auch angelastet, Schuld für überfüllte Klassenzimmer und Warteschlangen in den Krankenhäusern zu sein.
Abschiebungen in Besatzungszone
In vielen Städten verdrängt die lokale Bevölkerung syrische Flüchtlinge durch rassistische Diskriminierung und körperliche Übergriffe aus dem öffentlichen Raum. Doch Handlungsbedarf sieht die türkische Regierung nicht. Statt gesellschaftlicher Aufklärung werden durch eine allgemeine hassbeladene Rhetorik nationalistische Gefühle immer mehr hochgekocht, die Rassismus und Diskriminierung weiter anfachen. Während des Wahlkampfs für die Präsidentschaftswahl im Mai 2023 hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan versprochen, die „freiwillige“ Rückkehr einer Million Syrer:innen „vorzubereiten“. Innerhalb eines Jahres sind mehr als 100.000 Geflüchtete nach Syrien „zurückgekehrt“, seit 2016 mehr als 650.000, wie der Innenminister Ali Yerlikaya Mitte Juni erklärte. Faktisch wurden die Geflüchteten in den meisten Fällen gegen ihren Willen in die türkisch-dschihadistische Besatzungszone in Nordsyrien abgeschoben.