Rassistischer Mord in der Türkei

Ein Flüchtling aus Syrien ist bei einem rassistischen Angriff in Istanbul auf offener Straße getötet worden. „Verpisst euch zurück nach Syrien“, habe der Täter geschrien, bevor er den 21-Jährigen mit zwei Schüssen niederstreckte.

Ein Flüchtling aus Syrien ist bei einem rassistischen Angriff in der Türkei auf offener Straße getötet worden. Der 21-jährige Abdulkadir Davud sei am Sonntag im Istanbuler Stadtteil Zeytinburnu an einer Haltestelle erschossen worden, berichtet die Tageszeitung Evrensel. „Verpisst euch zurück nach Syrien“, habe der offenbar alkoholisierte Täter geschrien, bevor er den Syrer mit zwei Schüssen niederstreckte.

„Wir saßen in einem Park am Strand in Zeytinburnu und haben uns unterhalten“, schildert der 20-jährige Ahmed Uzun, ein Freund des Opfers und Zeuge der Tat, gegenüber Evrensel. „Später machten wir uns auf den Weg zu einer Bushaltestelle, um nach Hause zu kommen. Ein uns unbekannter Mann stand am Fenster seiner Wohnung und fing plötzlich an, uns wüst zu beschimpfen. Wir fragten, was das soll und sagten, dass wir ihm doch nichts getan hätten. Er erwiderte: ‚Verpisst euch zurück nach Syrien‘ und setzte seine Beschimpfungen fort. Es waren sehr derbe Ausdrücke. Wir haben nichts dergleichen gesagt“, fährt Uzun fort.

Nachdem der Mann weg vom Fenster war, sei seine Ehefrau auf den Balkon gekommen und habe gesagt: „Lauft weg, er ist betrunken und holt seine Waffe“. Daraufhin sei die Gruppe weggerannt. „Hinter uns wurden drei Schüsse abgefeuert. Als wir uns umdrehten, sahen wir Abdulkadir blutüberströmt auf dem Boden liegen. Er wurde von zwei Projektilen getroffen. Ich glaube, er war schon tot, als der Krankenwagen eintraf. Ich hatte an dem Tag noch Fotos von ihm gemacht“, erklärt Uzun.

Abdulkadir Uzun (r.) wenige Stunden vor seinem Tod | Foto: A. Uzun

Am Tatort seien später Polizisten in Zivil eingetroffen, schilderte der 20-Jährige weiter. „Sie sagten uns, dass der Mann geflüchtet sei. Es kann aber auch sein, dass er inzwischen gefasst ist.“ Die Familie des Syrers ist verzweifelt. Nach Jahren des Krieges in der Heimat erhoffte sie sich in der Türkei etwas mehr Sicherheit, doch jetzt ist der 21-Jährige tot. „Abdulkadirs Vater starb im Krieg in Syrien. Mit seiner Mutter und den sechs Schwestern kam er nach Istanbul“, sagte Davuds Schwager Gays El Khatip (30). „Fünf Jahre lang arbeitete er als Bügler, seit kurzem war er im Lampengeschäft. Geheiratet hatte er noch nicht. Wir fordern Gerechtigkeit.“

Alltäglicher Rassismus gegen syrische Flüchtlinge

Syrische Flüchtlinge leben in der Türkei gefährlich. Die rund 3,7 Millionen Syrer*innen, die vor dem Krieg fliehen mussten und nun in der Türkei leben, sind Opfer eines alltäglichen Rassismus und dienen der Gesellschaft als Sündenbock. Für fast alle Probleme werden sie verantwortlich gemacht. Die hohe Arbeitslosigkeit und fallende Löhne werden ihnen ebenso angelastet wie steigende Mieten und die schlechte Wirtschaftslage im Land. In vielen Städten verdrängt die lokale Bevölkerung syrische Flüchtlinge durch rassistische Diskriminierung und körperliche Übergriffe aus dem öffentlichen Raum. Doch Handlungsbedarf sieht die türkische Regierung nicht. Statt gesellschaftlicher Aufklärung werden durch eine allgemeine hassbeladene Rhetorik nationalistische Gefühle immer mehr hochgekocht, die Rassismus und Diskriminierung weiter anfachen.