Vor rund zwei Wochen drang in die Medien durch, dass der US-Außenminister Mike Pompeo Deutschland zu einer Beteiligung an einer möglichen Schutzzone für die Demokratischen Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien drängt. Deutsche Tornado-Jets sollen mit ihrer Aufklärungstechnik über eine solche Schutzzone wachen. Für einen deutschen Einsatz in Nord- und Ostsyrien wäre auch eine Verlängerung des im Oktober auslaufenden Bundeswehrmandats nötig, was zu kontroversen Diskussionen innerhalb der deutschen Politik führt.
Nun haben sich drei Linkspartei-Politikerinnen mit kurdischen Wurzeln mit einer gemeinsamen Stellungnahme in die Debatte eingeschaltet. Cansu Özdemir (MdHB), Gökay Akbulut (MdB) und Helin Evrim Sommer (MdB) rufen die Bundesregierung zu einer Anerkennung und einem direkten Dialog mit den Vertreter*innen der Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien auf.
Die Erklärung der drei Politikerinnen lautet wie folgt:
„Als deutsche Politikerinnen mit kurdischer Herkunft haben wir aufgrund der aktuellen medialen und politischen Diskussion über die Beteiligung Deutschlands an einer Schutzzone mit Vertreter*innen der Region intensive Gespräche über ihre Forderungen geführt.
In der Vergangenheit kam es wiederholt zu völkerrechtswidrigen militärischen Angriffen der Türkei. Durch Russlands Zustimmung zur Öffnung des syrischen Luftraums wurde der Selbstverwaltungskanton Afrîn ab dem 20. Januar 2018 für die türkische Armee zum Abschuss frei gegeben und schließlich von der türkischen Armee und ihren verbündeten islamistischen Milizen besetzt. Hunderte Menschen wurden dabei getötet und hunderttausende wurden vertrieben.
Die Kurd*innen haben eine maßgebliche Rolle bei dem Sieg gegen den Islamischen Staat gespielt. Sie haben gemeinsam mit den Völkern Syriens ein demokratisches, friedliches und emanzipatorisches System aufgebaut. Die Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien ist eine demokratische Alternative sowohl zum undemokratisch-autoritären Assad-Regime als auch zu den islamistischen Terrormilizen. Behauptungen wie zum Beispiel, die Kurd*innen seien nur Spielball in einem Stellvertreterkrieg treten wir in aller Deutlichkeit entgegen. Die Menschen in Nord- und Ostsyrien kämpfen und ringen nicht für die Interessen anderer Staaten. Sie setzen sich für ein multiethnisches, multireligiöses, basisdemokratisches und emanzipatorisches Zusammenleben unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen in Syrien ein. Diese Bestrebungen sollten respektiert, akzeptiert und unterstützt werden.
Da immer wieder in der Öffentlichkeit der falsche Anschein erweckt wird, die demokratische Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien sei eine Gefahr für die territoriale Integrität Syriens oder eine Art Besatzungsregime, möchten wir auf die Präambel des Gesellschaftsvertrags hinweisen. Dort heißt es: „Die Demokratische Föderation Nordsyrien beruht auf einem geografischen Konzept sowie administrativer und politischer Dezentralisierung. Sie ist Teil der Vereinigten Demokratischen Föderation Syriens.“
Angesichts dessen, sollten der Schutz und die Unterstützung für die Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien im Vordergrund stehen. Aus den Gesprächen mit den offiziellen Vertreter*innen der Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens haben sich folgende dringende Forderungen herauskristallisiert:
- Die Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien sollte im ersten Schritt von Damaskus als autonome Region im zukünftig vereinten demokratisch-dezentralisierten Syrien anerkannt werden.
- Die demokratische Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien benötigt eine Schutzgarantie der Vereinten Nationen für drohende Angriffe egal von wem.
Die Bundesregierung sollte mit der Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien aktiv zusammenarbeiten und die deutschen Waffenexporte in die Türkei sofort stoppen. Sie muss den Dialog mit ihren Vertreter*innen unverzüglich aufnehmen. Es darf nicht nur über sie geredet werden. Es muss vor allem mit ihnen geredet werden. “