Afghanistan und Rojava – Veranstaltung in St. Gallen

Im Schweizer St. Gallen hat eine Diskussionsveranstaltung zum Thema „Grenzen staatlicher Solidarität“, Afghanistan und Rojava stattgefunden.

Am Dienstag fand im Schweizer St. Gallen eine Diskussionsveranstaltung zu humanitärer Hilfe und „staatlicher Solidarität“ in Bezug auf Nord- und Ostsyrien und Afghanistan statt. Auf der Veranstaltung der Rojava-Solidaritätsgruppe St. Gallen im Rahmen der Bildungsreihe der „Erfreulichen Universität“ diskutierten der Historiker Michael Knapp und der emeritierte Soziologieprofessor Ueli Mäder über die Möglichkeiten und Grenzen staatlicher Solidarität. Der Veranstaltungssaal war mit 50 Besucher:innen gut gefüllt.

Wirkliche Hilfe kann nur in praktischer Solidarität sozialer Bewegungen bestehen“

Zunächst leitete Knapp mit einem Vortrag über die humanitäre Lage in Rojava und die Politik der Hegemonialmächte gegenüber der Region ein. Knapp legte dar, wie Russland, die USA und die EU humanitäre Hilfe bzw. das Abschneiden von humanitärer Hilfe als Druckmittel gegen die Region verwenden, und zeigte die dramatischen Konsequenzen des Embargos gegenüber Rojava auf. So habe seit der Schließung des Grenzübergangs Til Koçer (Al-Yarubiyah) im Jahr 2020 die UN-Hilfe um 70 Prozent abgenommen, während die Bedürftigkeit bei 1,3 Millionen Binnenflüchtlingen weiterhin gravierend sei. Knapp unterstrich, dass Hilfen aus Staaten notwendig und nützlich sind, aber immer Mittel zur Durchsetzung der Interessen der Staaten darstellen. Dessen sei sich die Selbstverwaltung in Rojava sehr deutlich bewusst. Staaten stellten immer zwiespältige Bündnispartner dar, insbesondere, da sie das basisdemokratische Modell der Revolution von Rojava als Bedrohung für ihre Interessen betrachteten.

So führte er die Beispiele von Efrîn und Serêkaniyê an, bei deren Besetzung vermeintlich Verbündete wie die USA und Russland eine entscheidende Rolle gespielt hatten. Wirkliche Hilfe könne nur in praktischer Solidarität sozialer Bewegungen und der Zivilgesellschaft bestehen. Diese Solidarität sei auch in der Lage, Staaten dazu zu zwingen, in größerem Maße Unterstützung zu leisten und ihr Handeln zu ändern. Praktische Hilfe wie die Unterstützung von Heyva Sor a Kurdistanê oder durch Städtepartnerschaften könne konkrete Projekte auf den Weg bringen. Wichtigster Punkt sei jedoch der Kampf gegen das internationale Schweigen zum Krieg gegen die Region.

Dependenztheorien wieder in den Mittelpunkt stellen“

Professor Mäder tauchte in die Geschichte Afghanistans ein und zeichnete die Wege und das Scheitern von Basisbewegungen in der Region nach. Er thematisierte die Interventionen der USA , die letzten Endes auch zum Aufstieg der Taliban geführt haben, und warf die Frage auf, wie humanitäre Hilfe an Menschen unter der Herrschaft der Taliban aussehen könne. Mäder betonte, Veränderung könne nicht von außen herbeigeführt werden, emanzipatorische Kräfte müssten jedoch gestützt werden.

Darüber hinaus plädierte Mäder für eine Stärkung und Demokratisierung der Strukturen der UNO, so dass wirklich Solidarität und Hilfe geleistet werden könne. Insbesondere Dependenztheorien, welche das Machtungleichgewicht zwischen Staaten wie der Schweiz und Afghanistan oder anderen Ländern in den Mittelpunkt stellen, sollten wieder stärker mitgedacht werden. Auch Mäder kam zu dem Schluss, dass soziale Bewegungen den Motor darstellen können, um Druck aufzubauen, so dass Staaten zur Hilfeleistung gezwungen werden.

Die Veranstaltung endete mit einem Unterstützungsaufruf für Heyva Sor a Kurdistanê und für konkrete Aktivitäten gegen den Krieg und das Embargo über Rojava.