Abbas Şahin: Das kurdische Volk tritt gegen den Staat an

Die DEM-Partei will die Zwangsverwaltung kurdischer Gemeinden mit den Kommunalwahlen in der Türkei am kommenden Sonntag beenden. Der Ko-Vorsitzende der DEM in Amed, Abbas Şahin, spricht von einem wichtigen Wendepunkt für das kurdische Volk.

Kommunalwahl in der Türkei

Der Countdown für die Kommunalwahlen in der Türkei am 31. März hat begonnen. Für die Wahlbeobachtung am Sonntag werden auf Einladung der DEM-Partei Delegationen aus Europa kommen, einige Gruppen sind bereits vor Ort und halten sich in den kurdischen Provinzen auf. Die Partei der Völker für Gleichberechtigung und Demokratie (DEM) hat die Nachfolge der von einem Verbotsverfahren bedrohten HDP übernommen und tritt für eine Dezentralisierung des politischen Regierungssystems und die Berücksichtigung regionaler Besonderheiten ein. In die Kommunalwahl geht die Partei mit der Forderung, die kurdische Frage zu lösen und die allgemeine Demokratiefrage der Türkei zurück auf die Tagesordnung zu bringen. Ein entsprechendes Strategiepapier wurde im Dezember veröffentlicht. Die Gemeinden, in denen 2019 die HDP als Wahlsiegerin hervorging, stehen fast vollständig unter staatlicher Zwangsverwaltung. Die gewählten Ko-Bürgermeister:innen wurden festgenommen, das türkische Innenministerium setzte Treuhänder auf ihre Posten. Am Sonntag will die DEM-Partei die Zwangsverwaltung beenden und wieder demokratische Verhältnisse etablieren.

Abbas Şahin, Ko-Vorsitzender des DEM-Provinzverbands in der kurdischen Metropole Amed (tr. Diyarbakir), bezeichnet die Wahlen als möglichen Wendepunkt. Der Politiker erklärte gegenüber ANF: „Das kurdische Volk weiß sehr gut, dass dieser Prozess und diese Wahl ein sehr wichtiger Wendepunkt sind. Es ist nicht nur eine Wahl, um die Treuhänder zu verabschieden, sondern auch eine Wahl für die Freiheit.“


Die DEM wirft der Regierungspartei AKP irreguläre Methoden zur Verschiebung der Kräfteverhältnisse vor den Wahlen vor. So seien Zehntausende Personen aus anderen Regionen der Türkei als Wahlberechtigte in kurdischen Kommunen angemeldet worden. Diese Beobachtung bestätigt auch Abbas Şahin. Im Landkreis Pasûr (Kulp) etwa seien 2800 Angehörige von Polizei und Militär registriert worden.

„Das System will nicht, dass das kurdische Volk an der demokratischen Politik beteiligt wird. Die aufrechte Haltung der Bevölkerung und ihre Einstellung zur demokratischen Politik ist immer wieder bemerkenswert“, sagt Şahin. „In Amed gibt es 3.975 Wahlurnen. Ich möchte an dieser Stelle dazu aufrufen, die Urnen zu schützen, damit die Wahlen in einem demokratischen und sicheren Umfeld stattfinden können. Dieses Jahr können in Amed 1.164.165 Menschen wählen und ihren Willen an der Urne kundtun. Unser Aufruf an die Bevölkerung lautet: Wir müssen unsere Stimme nutzen und unsere Stimmen schützen. Denn es geht hier nicht um einen Wettbewerb zwischen Regierung und Opposition, sondern um ein Rennen zwischen den Kurdinnen und Kurden und dem Staat. Das vor acht Jahren eingeführte System der Zwangsverwaltung, mit dem das kurdische Volk von den Wahlen ausgeschlossen wurde, hat der Sprache, der Kultur, der Infrastruktur und der Wirtschaft der Bevölkerung schweren Schaden zugefügt. Beispielsweise ist der Drogenkonsum junger Menschen gezielt gefördert worden. Wir wissen sehr wohl, dass damit versucht wird, eine politische Haltung unseres Volkes zu verhindern. Es handelt sich um ein politisch bewusstes Volk, das die Zukunft sehr gut einschätzen kann und die Wahlurnen am Sonntag schützen wird.“