Verfahren gegen Kadri Saka: „Die prozessuale Voraussetzung fehlt“

Beim Prozessauftakt gegen den kurdischen Aktivisten Kadri Saka wurde der Angeklagte von den zahlreich erschienen Zuschauer:innen mit Applaus begrüßt. Die Verteidigung beantragte die Einstellung des Verfahrens wegen fehlender Voraussetzungen.

Auftakt zum zweiten laufenden PKK-Prozess in Hamburg

Vor dem Oberlandesgericht Hamburg ist der Prozess gegen den kurdischen Aktivisten Kadri Saka eröffnet worden. Dem 58-jährigen Familienvater aus Bremen wird von der Generalstaatsanwaltschaft Hamburg nach §§129a/b StGB eine mitgliedschaftliche Betätigung für die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) von Dezember 2018 bis zu seiner Festnahme im Januar 2024 vorgeworfen.


Angeklagter mit Applaus begrüßt

Die erste Verhandlung in dem Verfahren wurde von vielen Menschen beobachtet, darunter auch zahlreiche aus Bremen und Ostfriesland angereiste Familienmitglieder und Bekannte des Angeklagten. Als Kadri Saka den Gerichtssaal betrat, standen die Zuschauer:innen auf und klatschten. Bei der Personalienfeststellung antwortete Saka auf Kurmancî und sagte, er sei in Kurdistan geboren.

Standardanklageschrift vorgetragen

Anschließend verlas der Staatsanwalt die Anklageschrift und entschuldigte sich für seine holprige Aussprache, als er standardmäßig auch die kurdische Bezeichnung Partiya Karkerên Kurdistan nennen musste. Er könne weder Türkisch noch Kurmancî. In der Anklage hieß es, dass Kadri Saka unter anderem von den in früheren Verfahren verurteilten Kurden Mehmet Çakas und Mustafa Çelik Anweisungen entgegen genommen hätte.

In der Anklageschrift wurde fälschlicherweise behauptet, die PKK habe sich in KCK umbenannt und die KCK strebe ein staatsähnliches Gebilde innerhalb der Länder Türkei, Iran, Syrien und Irak an. Dass der türkische Staat die Verhandlungen mit dem PKK-Begründer Abdullah Öcalan über eine politische Lösung der kurdischen Frage einseitig aufkündigte und mit der Bombardierung des Qendîl-Gebirges am 24. Juli 2015 beendete, umschrieb die Generalstaatsanwaltschaft mit den Worten, dass der „Konflikt erneut eskaliert“ sei.

AZADÎ: Saka wird legales Engagement zum Vorwurf gemacht

Der Rechtshilfefonds AZADÎ e.V. weist darauf hin, dass Kadri Saka keine individuelle Straftat vorgeworfen wird. Er habe sich nach seiner Flucht aus der Türkei vor 33 Jahren aufgrund von politischer Verfolgung auch in Bremen innerhalb der kurdischen Gesellschaft politisch und sozial engagiert, was ihm die Anklagebehörde jetzt zum Vorwurf mache. „Eine individuelle Straftat steht nämlich nicht im Raum, sondern vielmehr, dass er Kontakt zu anderen Aktivist:innen gepflegt und sie bei ihren Arbeiten unterstützt habe, dass er Demonstrationen und Trauerfeiern organisiert habe, dass er Spenden gesammelt habe, dass er – im Rahmen einer Demokratie absolut selbstverständlichen – Einfluss auf eine Politikerin der Partei DIE LINKE genommen habe und dass er immer wieder Streit innerhalb der Community geschlichtet habe. Dies alles ist legales soziales oder politisches Engagement, wird Kadri Saka aber zum Verhängnis, da die Generalstaatsanwaltschaft behauptet, er habe als Mitglied der PKK gehandelt“, erklärte AZADÎ in einer Mitteilung zur Prozesseröffnung.

Verteidigung beantragt Einstellung des Verfahrens

Die Verteidigung machte direkt am ersten Prozesstag nach der Verlesung der Anklageschrift deutlich, dass die Verfolgung ihres Mandanten nicht von der nach § 129b Abs. 1 S. 3 StGB erforderlichen Ermächtigung des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz gedeckt sei. Außerdem sei die im September 2021 erteilte Verfolgungsermächtigung gegen Kadri Saka weder juristisch noch politisch nachhaltig begründbar, da die Türkei kein von der deutschen Rechtsordnung schützenswerter demokratischer Rechtsstaat sei, sondern selbst Unrecht und Terror in der Region des Mittleren Ostens verbreite. Gegen dieses Unrecht setze sich die kurdische Bewegung zur Wehr. Um dies zu belegen, beantragte die Verteidigung die Ladung eines Mitarbeiters des Ministeriums als Zeugen. In diesem Sinne forderte sie zudem die Einstellung des Verfahrens, hilfsweise seine Aussetzung bis zur Vernehmung des Zeugen. Die prozessuale Voraussetzung für das Verfahren sei nicht gegeben, so die Verteidigerin.

Fortsetzung am Donnerstag

Das Verfahren gegen Kadri Saka wird am Donnerstag, 18. Juli 2024, um 10.30 Uhr vor dem 4. Strafsenat am Hanseatischen Oberlandesgericht im Strafjustizgebäude am Sievekingplatz 3 in Hamburg fortgesetzt. Vermutlich wird Saka eine erste Erklärung abgeben. Laut vorliegenden Informationen sind die Verhandlungen vorerst bis Oktober terminiert, als Folgetermine wurden 19. Juli, 12., 21. und 23. August, 16., 23., 24., 26. und 30. September sowie 4., 7., 9. und 10. Oktober genannt. Verhandlungsbeginn ist in der Regel um 10.30 Uhr, eine Ausweiskontrolle für Prozessbeobachter:innen wurde nicht angeordnet.

Zweiter laufender PKK-Prozess in Hamburg

Das Staatsschutzverfahren gegen Kadri Saka ist der zweite laufende „PKK-Prozess“ in Hamburg. Der kurdische Aktivist Kenan Ayaz ist seit seiner Auslieferung aus Zypern im Juni 2023 in Hamburg in Untersuchungshaft, der im November eröffnete Prozess zieht sich in die Länge. Der nächste Verhandlungstermin ist am 17. Juli und wird mit Spannung erwartet. Kenan Ayaz will eine ausführliche Schlusserklärung abgeben, der Zuschauerraum war bereits bei den letzten Verhandlungen sehr voll. Der Termin am 18. Juli wurde aufgehoben.

Zwölf Kurden nach §129b in Deutschland im Gefängnis

Neben Kadri Saka und Kenan Ayaz befinden sich noch zehn weitere Kurden in Deutschland nach §§129a/b StGB in Untersuchungs- oder Strafhaft: Özgür Aydın in Bremen, Mehmet Çakas in Hannover, Sabri Çimen in Wittlich, Mazlum Dora in Stuttgart, Ali Engizek in Ratingen, Tahir Köçer in München, Abdullah Öcalan in Heilbronn, Haci A. in Kempten, Ferit Çelik in Koblenz und Ali Özel in Frankfurt.

Foto © Mehmet Zahit Ekinci / Yeni Özgür Politika