Die Bundesanwaltschaft hat in Kiel und München zwei mutmaßliche Mitglieder der syrischen Terrororganisation „Liwa Jund al-Rahman“ festnehmen lassen. Den Männern wird Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung vorgeworfen, teilte die Behörde am Donnerstag in Karlsruhe mit. Mit den polizeilichen Ermittlungen seien das Bundeskriminalamt und das Bayerische Landeskriminalamt beauftragt gewesen. Der Einsatz in Kiel wurde demnach durch das Landeskriminalamt Schleswig-Holstein und die Bundespolizei unterstützt. Die Wohnungen der Beschuldigten seien durchsucht worden.
„Liwa Jund al-Rahman“ („Brigade der Soldaten der Barmherzigen“) wurde Anfang 2013 gegründet und hat den Angaben zufolge zum Ziel, das syrische Regime gewaltsam zu stürzen. Seit 2014 ist die Gruppierung der Dschihadistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) unterstellt. Laut Bundesanwaltschaft hatte sie bei ihrer Gründung eine niedrige dreistellige Zahl von Milizionären. Allerdings sei die personelle Stärke deutlich angewachsen, weil andere bewaffnete Milizen sich angeschlossen hätten. Spätestens seit April 2013 soll die Gruppe wiederholt an Kämpfen gegen die syrische Armee teilgenommen haben.
Einer der beiden Beschuldigten, Amer A., soll Gründer und Anführer von „Liwa Jund al-Rahman“ gewesen sein. Auch sei er dringend verdächtig, Kriegsverbrechen begangen zu haben. Unter seiner Leitung habe die Miliz im Juni 2013 gemeinsam mit dem syrischen Al-Qaida-Ableger Jabhat al-Nusra und anderen dschihadistischen Gruppierungen die Ortschaft Hatla im ostsyrischen Deir ez-Zor überfallen und dort bis zu sechzig Schiiten getötet. Das Dorf sei geplündert und teilweise in Brand gesetzt worden, bevor die restlichen Bewohnenden vertrieben wurden. Das Resultat dieser Vertreibungsmaßnahme sei die Beendigung jeglicher schiitischen Präsenz in Hatla gewesen, so die Bundesanwaltschaft.
Darüber hinaus soll Amer A. mit seiner Truppe an der Eroberung der Stadt Al-Mayadin durch den IS und am „militärischen Vorgehen“ gegen den Al-Schaitat-Stamm (auch Schuaitat) im Sommer vor neun Jahren in Deir ez-Zor beteiligt gewesen sein. Während der IS-Herrschaft kam es im Juli 2014 zu Zusammenstößen mit Angehörigen der arabischen Stammeskonföderation. Der IS beanspruchte die Kontrolle über die Ölquellen im Kerngebiet der Al-Schaitat – der Stamm weigerte sich, nach den Regeln der Dschihadisten zu leben. Im Monat darauf überrannte der IS das Stammesgebiet und beging Massaker, bei denen rund 1.200 Menschen brutal niedergemetzelt, geköpft oder erschossen wurden. In der nachfolgenden Zeit verkaufte der IS das Öl aus Deir ez-Zor über Händler in die Türkei und an das syrische Regime. In den letzten Jahren wurden in der Region mehrere Massengräber entdeckt, in denen etwa 800 ermordete Schaitat-Angehörige verscharrt worden waren. Hunderte weitere Mitglieder des Stammes bleiben verschwunden.
Der zweite Verdächtige, Basel O., soll innerhalb von „Liwa Jund al-Rahman“ ebenfalls in führender Position gewesen sein und Truppen im Kampf gegen syrische Streitkräfte befehligt haben, insbesondere am Militärflughafen von Deir ez Zor im Dezember 2013 und April 2014. Beide Männer sitzen seit Mittwoch in Untersuchungshaft.