Neue Besetzung im Altdorfer Wald

Angesichts der geplanten Fortschreibung des Regionalplans für die Landkreise Sigmaringen, Ravensburg und den Bodenseekreis haben Bürger:innen, Anwohner:innen und Eltern einen weiteren Teil des Altdorfer Waldes besetzt.

Als Reaktion auf die ergebnislose Sitzung des Planungsausschusses und des Regionalverbandes Bodensee-Oberschwaben (RVBO) am Mittwoch in Horgenzell ist letzte Nacht im baden-württembergischen Landkreis Ravensburg ein weiterer Teil des Altdorfer Waldes besetzt worden. Das gaben unabhängige Bürger:innen, Anwohner:innen und Eltern als Beteiligte der Besetzung bei Oberankenreute in einer Stellungnahme bekannt.

„Das verbissene Festhalten des Regionalverbandes an den vorliegenden Planungsentwürfen nötigt uns zu diesem, für uns ungewöhnlichen und unangenehmen Schritt. Nach Jahren unbeachteter Appelle, dem Ignorieren stichhaltiger Argumente und wissenschaftlicher Fakten durch den RVBO stellen wir uns auf diese Weise entschieden gegen den  weiteren Raubbau und den geplanten Ausverkauf unserer Heimat”, heißt es in einer Stellungnahme zu den Hintergründen der Besetzung. Diese werde nach der „erneut vergebenen Chance des RVBOs, sich auf eine zukunftsfähige und klimagerechte Raumplanung einzulassen”, als Mahnung und weiteres Dialogangebot an die Mitglieder der Regionalversammlung verstanden. Die Besetzer:innen kündigen zudem an, ihre Aktion auf unbestimmte Zeit, mindestens jedoch bis zur abschließenden Entscheidung der Regionalversammlung am 25. Juni aufrecht zu erhalten.

Der Regionalplan der RVBO stellt die Weichen für die Stadtentwicklung in den Landkreisen Sigmaringen, Ravensburg und dem Bodenseekreis in den nächsten 15 bis 20 Jahren. Umweltschützer:innen und Bürger:innen monieren, dass der Entwurf den von Bundes-, Landesregierung und der EU verlautbarten Klimazielen (1,5 Grad) und Nachhaltigkeitszielen (30 Hektar) nicht gerecht wird. Die Besetzer:innen des Altdorfer Waldes appellieren in ihrer Erklärung an die die Mitglieder der Regionalversammlung des RVBOs:

• Beenden Sie die gesellschaftliche Spaltung in unserer Region! Es kann und darf in unserer Zeit keine weitere Planungen mehr geben, die nationale und internationale Klimaschutz-Verpflichtungen ignorieren und über die Köpfe der Bevölkerung und Teile Ihrer politischen Vertreter:innen auf kommunaler Ebene hinweg festgeschrieben werden.

• Treten Sie mit Ihrer Stimme für eine gründliche Überarbeitung der bisherigen Planungen ein. Nachgewiesene falsche Planungsgrößen, z.B. bzgl. Bevölkerungs wachstum (siehe Gutachten der S4F) müssen behoben werden.  

• Geben Sie in Ihrer Planung dem Gemeinwohl oberste Priorität. Wachstumsideologien die uns geradewegs auf einen Klimakollaps zusteuern, müssen überwunden und die planetarischen Grenzen auch in der regionalen Flächenplanung respektiert werden. Setzen Sie sich daher für ein Ende der klimaschädlichen Rodungen von Wäldern für den Rohstoffabbau in unserer Region ein. Stellen Sie die Weichen für eine klimaneutrale und intelligente Verkehrswende. Beenden Sie den verschwenderischen Flächenverbrauch.

• Die CDU-Mitglieder im Regionalverband fordern wir als Teil der CDU in Baden-Württemberg zur Vertragstreue auf. Setzen Sie die vertraglichen Zusagen im bestehenden Koalitionsvertrag in der Region um. Im Zusammenhang mit dem Flächenverbrauch in Baden-Württemberg hat sich Ihre Partei im Koalitionsvertrag wortwörtlich zu folgendem Passus verpflichtet:

„Netto-Null“ beim Flächenverbrauch: Wir wollen den Flächenverbrauch weiter reduzieren und halten weiterhin an dem Ziel der „Netto Null“ fest. Ein weiterer Faktor, um unnötigen Flächenverbrauch zu vermeiden, ist der Rückbau bestehender, nicht mehr benötigter Infrastruktur”

Wer sich vehement gegen die Bedenken großer Bevölkerungsteile und wissenschaftlicher Erkenntnisse versperrt und stattdessen einseitig für privatwirtschaftliche Interessen einzelner, teils international verflochtener, Kies-Unternehmen agiert, muss sich heute Fragen zur eigenen Integrität gefallen lassen. Wir weisen darauf hin, dass der fortschreitende Klimawandel nicht nur das Gemeinwohl bedroht, sondern zunehmend den ökonomischen Erfolg großer Teile unserer Wirtschaft gefährdet.

Mit unserer Waldbesetzung möchten wir Nachbarn und weitere Teile der Bevölkerung wachrütteln und aufzeigen, was hier vor unserer Tür auf dem Spiel steht. Dabei geht es nicht allein um die Erschließung von 11 Hektar Wald für den Kiesabbau bei Grund, 30 Hektar neue Kiesflächen bei Oberankenreute oder den Schutz von 60 Hektar im Altdorfer Wald. Es geht um mehrere tausend Hektar fruchtbarer Ackerböden und wertvoller Wälder, die in unserer Region durch die Planungen des RVBO gefährdet sind. Im Hinblick auf nachfolgende Generationen und den Ländern des globalen Südens schreiben die Planungen einen Verbrauch fest, der über unseren Verhältnissen liegt. Wer Klimagerechtigekeit ernst nimmt, darf nicht länger auf Kosten anderer Leben.

Solidaritätsbekundung

Wir solidarisieren uns ausdrücklich mit der Baumbesetzung bei Grund und in anderen Regionen Deutschlands. Wir können und wollen den Schutz unserer Wälder, des Trinkwassers, landwirtschaftlicher Flächen und anderer Lebensgrundlagen nicht länger allein den jungen Aktivist:innen zumuten. Wir sind beeindruckt vom dauerhaften Engagement und der Ernsthaftigkeit, mit der sich junge Menschen heute für unser Gemeinwohl einsetzen und dafür Strapazen und Schikanen in Kauf nehmen. Von den Verantwortlichen in der Politik wünschen wir uns eine deutlich höhere Wertschätzung für unsere Erde, alle Geschöpfe der Schöpfung und dem Einsatz junger Aktivist:innen.

Wir geben zu bedenken, dass es unsere und die Generationen zuvor waren, die unsere Welt in die Nähe eines unkontrollierbaren Klimakollaps geführt haben. Wir können die Herausforderungen, die der Klimawandel an uns stellt, nicht allein zukünftigen Generationen aufbürden. Um ein Klimachaos doch noch abzuwenden ist es jetzt allerhöchste Zeit, entschlossen zu Handeln. Nicht wir als besorgte Bürgerinnen und Bürger, sondern der rasant fortschreitende Klimawandel gibt dabei den Takt vor.

Noch ist es für eine einvernehmliche Lösung im Streit um den vorliegenden Planungsentwurf des Regionalplanens nicht zu spät und wir sind weiterhin gesprächsbereit. Mit uns können Sie reden - mit dem Klima lässt sich nicht verhandeln!