In der Türkei gibt es zum ersten Mal eine Klimaklage. Drei Jugendliche und junge Erwachsene werfen dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan sowie dem Ministerium für Umwelt, Stadtentwicklung und Klimawandel vor, dass die nationalen Klimaziele der Türkei unzureichend seien, um den Verpflichtungen gegenüber dem Pariser Klimaabkommen nachzukommen. Mit einer Kampagne auf der Petitionsplattform Change rufen sie zur Unterstützung für ihre Klage auf.
Die Türkei habe versprochen ihre Emissionen bis 2030, um 41 Prozent zu reduzieren. Doch dies sei längst nicht genug, so die drei Klimaaktivst:innen, die sich unter anderem bei der türkischen Sektion von Fridays for Future engagieren. Darüber hinaus werde in Anbetracht der tatsächlichen Klima- und Energiepolitik des Landes deutlich, dass die Emissionen über 2030 hinaus sogar steigen werden, mit einer geschätzten Zunahme von 30 Prozent bis Ende des Jahrzehnts. Tatsächlich wird die Klimapolitik der Türkei von der fossilen Energiestrategie der Erdoğan-Regierung bestimmt und auch im Wahlkampf wird offensiv die Förderung fossiler Brennstoffe auf türkischem Boden propagiert.
Die teilweise noch sehr jungen Kläger:innen – 16, 17 und 20 Jahre alt – berufen sich in ihrer Klage an das türkische Verfassungsgericht unter anderem darauf, dass durch unzureichend geplante und umgesetzte Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen eine Verletzung der im Grundgesetz, in der UN-Kinderschutzkonvention und in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerten Schutzpflicht des Staates für das Recht auf Leben, Gleichheit zwischen den Generationen, Achtung des Privatlebens, Gesundheit, kulturelle Rechte, Unversehrtheit der Integrität der materiellen und geistigen Existenz, Leben in einer gesunden und ausgewogenen Umwelt, Bildung, Arbeit und Zugang zu gesunder Nahrung und Wasser vorliegt. Aus dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit folge, dass dies auch für Menschen zukünftiger Generationen zu gewährleisten ist.
„Sie zerstören die Zukunft der jungen Menschen in diesem Land. Sie tun nichts gegen die Klimakrise“, kritisieren die Kläger:innen. Dabei sind Staaten aus menschenrechtlicher und aus klimapolitischer Perspektive verpflichtet, den Klimawandel zu stoppen und seine Wirkungen abzumildern. Konkret bezieht sich die Klimaklage also auf zwei Aspekte:
▪ Die Ziele der Klimapolitik der Türkei – Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 41 Prozent bis 2030 – ist nach wissenschaftlichen Prognosen nicht ausreichend, um dem völkerrechtlichen Klimaabkommen von 2015 – Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad – nachzukommen.
▪ Die Maßnahmen für eine „klimaneutrale Türkei“, wie es in einem im April vom türkischen Energieministerium vorgelegten Bericht heißt – sind nicht nur zu niedrig gesteckt, sondern werden zudem nicht erreicht werden.
Die amtierende Regierung von Erdoğan möchte die klimaschädlichen CO2-Emissionen bis zum Jahr 2053 auf „netto Null“ reduzieren. Das Ziel Netto-Treibhausgas-Neutralität war Ende 2021 von Erdoğan ausgerufen worden, nachdem die Türkei nach jahrelangem Widerstand dem Pariser Klimaabkommen beitrat. Mehr Informationen zu den Hintergründen der Klimaklage gegen den türkischen Präsidenten finden sich auf Change.org