Freisprüche und Geldstrafen für Kraftwerks-Besetzer

Das Amtsgericht Eschweiler hat fünf Klimaaktivist*innen, die vor zwei Jahren das Kraftwerk Weisweiler besetzt hatten, wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt zu geringen Geldstrafen verurteilt. Vom Hauptanklagepunkt wurden sie freigesprochen.

Das Amtsgericht Eschweiler hat am Mittwoch fünf Klimaaktivist*innen zu geringen Geldstrafen verurteilt. Sie hatten vor zwei Jahren mit einer Aktion des zivilen Ungehorsams ein RWE-Kohlekraftwerk in Weisweiler stundenlang lahmgelegt. Das Urteil sorgte für Aufsehen: Die 22 bis 37 Jahre alten Aktivist*innen wurden nicht wegen der Besetzung des Kraftwerks verurteilt, sondern weil sie Widerstand gegen Polizeibeamte geleistet hatten. Dafür sollen sie zwischen 250 und 360 Euro Geldstrafe in Tagessätzen bezahlen. Das Braunkohlekraftwerk in Eschweiler−Weisweiler war im November 2017 aufgrund der Blockade gezwungen, seine Leistung um 90 Prozent herunterfahren.

Cornelia, eine der Angeklagten, sagte: „Dass wir wegen Störung öffentlicher Betriebe freigesprochen wurden, ist erfreulich. Aber obwohl das Gericht viele Beweistatsachen zur Klimakrise als offenkundig ansieht, hat es daraus nicht die nötigen Konsequenzen gezogen und die Blockade als gerechtfertigt anerkannt.“ Die Angeklagten und ihre Verteidigung haben angekündigt, in Berufung zu gehen, da unter anderem Fragen bezüglich der Versammlungsfreiheit aus ihrer Sicht nicht zufriedenstellend geklärt wurden.

Aktivisten: Kraftwerke machen krank und töten

Der heutige Prozesstag begann mit einer Stellungnahme der Angeklagten zu den zuletzt gehörten Vorträgen der Sachverständigen Rosa Gierens und Christian Döring, die beim letzten Verhandlungstag dargelegt hatten, inwiefern das Kraftwerk Weisweiler durch Luftverschmutzung Menschen krank macht und tötet. Die Beweisaufnahme wurde nach einer kurzen Anhörung einer Polizeizeugin, die zur Aufklärung des Sachverhalts nichts beitragen konnte, geschlossen. In ihrem inhaltlich widersprüchlichen Plädoyer beantragte die Staatsanwältin dann überraschend Freiheitsstrafen. Es folgten Plädoyers aller Verteidiger*innen, die aufgrund der dünnen Beweislage sowie rechtlicher Bedenken Freispruch in allen Anklagepunkten forderten. Sie kritisierten dabei auch ein allgemein erhöhtes Verfolgungsinteresse der Behörden gegenüber Klimaaktivist*innen.

„Das letzte Wort der Klimagerechtigkeitsbewegung ist noch lange nicht gesprochen“

Die Angeklagten bezogen sich in ihrem letzten Wort einmal mehr auf die Klimakatastrophe und den Beitrag des Kraftwerks Weisweiler zur Zerstörung von Lebensgrundlagen weltweit. Dabei verlasen sie ein Statement des vom Klimawandel betroffenen Zeugen Seuri Sanare Lukumay sowie einen Text des Klimawissenschaftlers Tobias Bayr zum Thema Kippelemente im Klimasystem. Beide waren im Verfahren nicht angehört worden. Die Angeklagten beendeten ihr Statement mit der Ankündigung: „Das letzte Wort der Bewegung für Klimagerechtigkeit ist noch lange nicht gesprochen.“

Das Gericht lehnte einen Freispruch aufgrund eines rechtfertigenden Notstands unter anderem damit ab, dass die Blockade nicht lange genug angedauert habe, um der Klimakrise Einhalt zu gebieten.

Vor dem Hintergrund der anhängigen Schadensersatzforderung von zwei Millionen gegen die Aktivist*innen ist das heutige Urteil insofern interessant, dass sie in allen Anklagepunkten, in denen RWE sich als geschädigt sieht, freigesprochen wurden. Das Zivilverfahren vor dem Landgericht Aachen ruht, bis der Strafprozess abgeschlossen ist.

Ende-Gelände-Aktivisten ebenfalls freigesprochen

In diesem Prozess wurde nebenbei zum ersten Mal über die Aktion „Ende Gelände“ im November 2017 entschieden. Der Freispruch für die Angeklagten wegen der Besetzung des Tagebaus Hambach ist auch ein Freispruch für 3000 andere Aktivist*innen.

Die Aktivist*innen der hauptsächlich verhandelten Aktion „WeShutDown“ hatten am 15. November 2017 frühmorgens Förderbänder und Bagger im Braunkohlekraftwerk Weisweiler bei Aachen blockiert, und damit die fast vollständige Abschaltung des Großkraftwerks erreicht. Zeitgleich tagte die 23. Klimakonferenz der UN in Bonn. Die Aktion verhinderte neben Schadstoffemissionen auch den Ausstoß von rund 26.000 Tonnen CO2 durch das Kraftwerk.