Das Bündnis „Entweder Kanal oder Istanbul“ hat vor der städtischen Behörde für Umwelt und Stadtentwicklung gegen den Bau eines Kanals vom Marmara-Meer zum Schwarzen Meer protestiert. Bis heute konnten in der Behörde persönliche Anträge auf Annullierung des Megaprojekts abgegeben werden. An der Kundgebung nahmen neben Politikerinnen und Politikern der HDP und CHP zahlreiche Gegner*innen des von der Erdoğan-Regierung geplanten Kanals mitten durch Istanbul teil.
Der Aktivist Koray Türkay machte in einer Ansprache darauf aufmerksam, dass tagelang Menschen zu der Behörde geströmt sind, um den Kanalbau zu stoppen. Das reiche jedoch nicht aus, sagte Türkay und rief zur Ausweitung des Kampfes gegen das Projekt auf.
In einer anschließend von Ayşe Yıkıcı verlesenen Erklärung des Bündnisses wurde auf die bisherigen Großprojekte der Regierung im Istanbuler Raum hingewiesen: Durch die Nord-Marmara-Autobahn, den dritten Flughafen und die dritte Bosporus-Brücke seien unwiederbringliche Schäden an den Wasser- und Luftressourcen Istanbuls entstanden, so die Erklärung: „Die Istanbuler werden jetzt ein weiteres Mal mit einem ‚Großprojekt‘ konfrontiert, das einzig dem Profit der Regierung nützt. Dieses Mal ist uns eröffnet worden, dass Istanbul und das Tausende Jahre alte Gedächtnis der Region, sein natürliches Leben, das Leben von Menschen und Tieren verändert werden sollen – ‚ob ihr wollt oder nicht‘.“
Nach Angaben des Bündnisses soll für den Kanalbau eine Fläche von 36.453 Hektar weichen, die als Gebiet für Wasserreservoirs, Landwirtschaft und Forst festgeschrieben ist. Hauptkritikpunkte an dem Projekt sind die Zerstörung des ökologischen Gleichgewichts und der Wasserversorgung der Stadt.
Der Kanal schafft quasi eine neue Insel zwischen Kanal und Bosporus in Istanbul. Im Rahmen des Projektes wird verhandelt, ob diese Insel an katarisches Kapital verkauft wird. In der Umgebung des Kanals sollen auf 453 Millionen Quadratmetern neue Wohngebiete entstehen. Schon mit der Ankündigung des Verkaufs des Landes schossen die Zementaktien in die Höhe. Dass die Immobilienpreise ebenso wachsen werden, ist ein bekanntes Phänomen.
Diese „Neustadt“ Istanbuls bringt noch weitere Risiken mit sich. Sie wird direkt auf der Verwerfungslinie zwischen Asien und Europa gebaut: Ein Fakt, vor dem die Ingenieurs- und Architektenkammer TMMOB und die Stadtverwaltung von Istanbul bereits wiederholt gewarnt haben.