In einem Akt der Solidarität haben mehr als dreißig Istanbuler Umweltorganisationen eine Reise nach Dersim organisiert, um ein Zeichen gegen den von der türkischen Armee in der nordkurdischen Provinz praktizierten Ökozid zu setzen und die Öffentlichkeit für die systematische Umweltzerstörung in Kurdistan zu sensibilisieren. Empfangen wurden die Vertreterinnen und Vertreter von insgesamt 34 NGOs am Mittwochnachmittag auf dem Seyit-Riza-Platz im Zentrum von Dersim. Zur Begrüßung waren Mitglieder lokaler Umweltinitiativen und politischer Parteien gekommen, auch der HDP-Abgeordnete Alican Önlü war anwesend.
„Vom Ida-Gebirge bis nach Dersim, von Ikizdere bis Akbelen: Die Natur kennt keine Grenzen“, „Naturzerstörung ist politisch“ und „Auch das Recht auf Leben künftiger Generationen ist heilig“ stand auf Plakaten und Transparenten geschrieben, die aus Istanbul mitgebracht wurden. Hintergrund der Reise sind die durch Artilleriebeschuss des Militärs Mitte August entzündeten Wald- und Flächenbrände in verschiedenen Regionen der Provinz, die bereits riesige Gebiete verschlungen haben und teilweise noch immer wüten.
„Wir sind nach Dersim gereist, um uns solidarisch zu erklären mit den Menschen, die von dieser Politik der verbrannten Erde betroffen sind, und mit ihren Kämpfen dagegen“, erklärte Vahap Işıklı von der Ökologiebewegung Mesopotamien im Namen der Gruppen. Überall in der Türkei finde eine „Ausplünderung der Natur“ statt, die Wälder würden in der Regel für den Profit der Baubranche niedergebrannt. Mit Blick auf Kurdistan erklärte Işıklı: „Von Dersim über den Cûdî bis hin nach Çewlîg (tr. Bingöl) brennt es in den kurdischen Regionen auch in diesem Moment. Gerechtfertigt werden diese Waldbrände stets mit sogenannten Sicherheitsgründen. Dasselbe Argument wird aber auch herangezogen, Freiwillige an der Brandbekämpfung zu hindern.“ Im Kern gehe es um die Erfindung eines Bedrohungsszenarios, um staatliche Interessen durchzusetzen.
„Ich habe eure Feindseligkeiten gegenüber Bäumen, Wasser und der Erde satt“
Der stellvertretende Vorsitzende des Umweltvereins Munzur, Ali Yıldız, bezeichnete die Waldbrände in Dersim als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ und forderte, dass Ökozid als Straftatbestand eingeführt wird. Am Donnerstag wollen die Istanbuler NGOs im Kreis Pilûr (tr. Ovacık) eine öffentliche Podiumsdiskussion zum Thema Ökozid veranstalten. Alle Menschen in der Region seien eingeladen, es soll ein Podest aufgestellt werden.
Kriegstaktik Waldbrände
In Kurdistan wurden zum ersten Mal im Jahr 1925 Waldbrände zur Aufstandsbekämpfung eingesetzt. Damals ging es um die Niederschlagung des Şêx-Saîd-Aufstands. Mit der Reformgesetzgebung und dem in diesem Zusammenhang verübten Genozid in Dersim wurde diese Taktik fortgesetzt. Insbesondere ab den 90er Jahren bis heute werden Wälder systematisch jeden Sommer vom Staat niedergebrannt – als Mittel der Kriegsführung gegen die Guerilla, aber auch zur Vertreibung der angestammten Bevölkerung.