Den inzwischen zehnten Tag in Folge wütet der durch Artilleriebeschuss entzündete Waldbrand in Xozat bei Dersim und hat inzwischen den nördlich gelegenen Kreis Pilûr (tr. Ovacık) erreicht. Hunderte Hektar bewaldete Fläche und Anbaugebiete sind von den Flammen bereits verschlungen worden, Siedlungsgebiete sind akut bedroht. Doch Löschversuche werden weiterhin nicht unternommen. Laut dem türkischen Gouverneursamt für die Provinz sei der Brandherd für Feuerwehrleute nicht erreichbar, da Zufahrtswege fehlen würden. Die Löschkräfte hielten sich deshalb am Ortseingang von Xozat bereit. Von möglichen Brandbekämpfungsmaßnahmen aus der Luft wird gar nicht erst gesprochen.
Der HDP-Abgeordnete Alican Önlü zeigte sich angesichts der Erklärung des Gouverneurs empört. „Seit Tagen stehen Freiwillige aus der Bevölkerung bereit, um den Brand auf eigene Faust zu bekämpfen. Sie werden von den Behörden aber nicht durchgelassen“, sagte Önlü am Donnerstag in Ankara. Zudem wies der Parlamentarier auf einen zweiten Brand hin, der sich seit zwei Tagen in einem Gebiet zwischen Tokmak Baba und Dere Emirgan in Pilûr ausbreitet. Auch dieses Feuer sei durch Fremdeinwirkung entzündet worden. Ob hier ebenfalls das Militär verantwortlich ist, dazu äußerte sich Önlü nicht.
Kritik an Ignoranz der Öffentlichkeit
„Sind die Wälder Dersims weniger wert als andere? Für einen Großteil der Gesellschaft dieses Landes scheint dies so zu sein, denn der längt überfällige Aufschrei bleibt weiterhin aus”, so Önlü. „Brennt es im Westen, werden die Verantwortlichen umgehend verurteilt und Brandbekämpfer als Helden verherrlicht. Aber geht es um Kurdistan, schweigt die Öffentlichkeit. In Dersim lässt der Staat persönlich ganze Wälder in Brand schießen, das Militär geht gewaltsam gegen Freiwillige vor, die sich den Flammen entgegenstellen wollen. Im Westen werden Waldbrände dokumentiert, um unter anderem das Ausmaß der Zerstörung zu erfassen. In Dersim werden Brände noch nicht einmal registriert”, kritisierte Önlü.
Alican Önlü
Diese Untätigkeit ließe keine Zweifel daran, dass praktisch alle Waldbrände in Kurdistan von der türkischen Armee gelegt würden. Aber auch für die Waldbrände im Westen seien der Staat und damit die Regierung und ihre Partner verantwortlich. Önlü rief in Dersim ansässige NGOs, Gewerkschaften und die Bevölkerung auf, angesichts der andauernden Waldbrände aktiv zu werden. „Es ist unsere Pflicht, die Natur zu verteidigen. Lasst uns gemeinsam gegen die Vernichtungspolitik und den Ökozid in unserer Region kämpfen. Stellen wir uns Seite an Seite gegen diejenigen, die unsere Natur, unseren Glauben, unsere Kultur und unsere Sprache angreifen.“