Ökosystem des Tigris wird zerstört
Die Plattform zum Schutz der Hevsel-Gärten in Amed warnt vor der Austrocknung des Tigris durch die zerstörerische Politik des türkischen Staats.
Die Plattform zum Schutz der Hevsel-Gärten in Amed warnt vor der Austrocknung des Tigris durch die zerstörerische Politik des türkischen Staats.
Ein 67 Kilometer langer Abschnitt des Tigris wurde vor dreißig Jahren rechtlich als „undefiniertes Gewässer“ eingeordnet und damit jeglichen Schutzes, der Flüssen Konventionen zu Folge zusteht, beraubt. Der Aktivist Güner Yanlıç berichtet, dass aufgrund des Raubbaus nun der Fluss selbst und die Tiere in seiner Umgebung massiv bedroht sind. Vor allem der Sandabbau schadet dem Flussökosystem. Yanlıç berichtet: „Insbesondere in den Sommermonaten wird auf einer 30 bis 40 Kilometer langen Strecke massiv Wasser zur Bewässerung mithilfe von Motoren abgepumpt. Dieses Wasser geht in die Baumwoll- und Maisproduktion. Aufgrund dessen bleibt im Tigris nicht mehr genug Wasser zurück, um einen Lebensraum zu bieten. Die Fauna und Flora des Flusses sind akut bedroht.“
Zerstörung der Hevsel-Gärten
Weiter unten am Flusslauf liegen die Hevsel-Gärten von Amed (Diyarbakir). Bei den Hevsel-Gärten handelt es sich um ein etwa 700 Hektar großes fruchtbares, seit über 8.000 Jahren kultiviertes Gebiet zwischen dem Tigris und den jahrtausendealten gewaltigen Stadtmauern von Amed. Sie liegen am Hang zwischen der Stadtmauer und dem Ufer des Tigris unweit dem mächtigen Keçi Burcu, dem Ziegenturm, und wurden 2015 von der UNESCO zusammen mit der Stadtmauer zum Weltkulturerbe ernannt.
„Die Gärten sind der Grund, warum sich hier eine Stadt gebildet hat” erklärt Yanlıç. „Bis vor 30 bis 40 Jahren versorgten die Gärten die Menschen der ganzen Stadt mit Obst und Gemüse. Aber aufgrund der industriellen Landwirtschaft haben sie diese Fähigkeit verloren. Es gibt leider im Moment keine vielfältige Produktion, mit der der Bedarf der Menschen gedeckt werden könnte. Das hängt auch mit der Stadtentwicklung zusammen. In den Hevsel-Gärten gibt es mittlerweile viele invasive Arten, die aus Profitgründen angepflanzt wurden. Die Kleinbauern mussten ihre Produktion gegenüber der Agrarindustrie aufgeben. Als Plattform für die Hevsel-Gärten arbeiten wir daran, dass dort eine Ökonomie aufgebaut wird, welche die Menschen und die Stadt mit organischen Nahrungsmitteln versorgt. Weiter kämpfen wir dafür, dass der Tigris einen Status als Fluss erhält.
Protest gegen Schweigen der UNESCO
Die Mauern von Amed und die Hevsel-Gärten gehören zum Weltkulturerbe. Wenn wir zurückblicken, dann hat die UNESCO auch in den vergangenen sechs Jahren nichts gegen die Plünderung und Zerstörung unternommen, ja nicht einmal protestiert. Als zivilgesellschaftliche Organisationen haben wir uns Dutzende Male an die UNESCO gewandt und gefordert, dass sie Verantwortung für die Mauer und die Hevsel-Gärten übernimmt oder zumindest erklärt, dass sie es nicht tut. Das Schweigen der UNESCO hat den Weg für Gentrifizierung, Besetzung und Plünderung geöffnet und zu großer Zerstörung geführt. Die UNESCO soll hier nach Amed kommen und zusammen mit der Regierung die Zerstörung erfassen. Sie soll sich auch mit uns treffen und die zivilgesellschaftliche Dynamik in der Stadt begreifen. Sie muss diese Zerstörung verhindern. Am 2. Februar 1972 wurde in der iranischen Stadt Ramsar das ‚Übereinkommen über den Schutz von Feuchtgebieten‘ unterzeichnet. Wir werden den Schaden dokumentieren und uns auf die Ramsar-Konvention berufen.“