Am Samstag jähren sich die Pogrome des „Schwarzen Juli“ gegen die tamilische Bevölkerung auf Sri Lanka zum 39. Mal. Damals hatten singhalesisch-nationalistische Gruppen einen Angriff der Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) auf das Militär zum Anlass genommen, um von Colombo ausgehend über das gesamte Land verteilt Jagd auf tamilische Einwohnerinnen und Einwohner zu machen. Schätzungen zufolge wurden bis zu 3.000 Menschen im Verlauf der mehrere Tage wütenden Pogrome bestialisch ermordet, 5.000 Geschäfte geplündert und 8.000 Wohnungen zerstört. Hundertausende Menschen wurden so um ihr Hab und Gut gebracht und zu Geflüchteten im eigenen Land gemacht.
Heute ist bekannt, dass die Angreifer mit ethnischen Listen von Regierung, Polizei und Armee ausgestattet waren, anhand derer sie ihre Ziele ausfindig machen konnten. Sicherheitskräfte blieben untätig oder beteiligten sich an den Lynchmorden. „Das war aber nicht das Ende der ethnischen Gewalt bis zum Genozid am tamilischen Volk“, erklären der in Berlin ansässige Volksrat der Eelam-Tamilen Deutschland e.V. und die Tamil Youth Organisation (TYO) in einer gemeinsamen Mitteilung anlässlich des Jahrestags der antitamilischen Pogrome in Sri Lanka. In der letzten Phase des Krieges von 2008 bis zum Mai 2009 wurden nach den Angaben der Vereinten Nationen mehr als 70.000 Tamil:innen getötet, über 146.000 weitere gelten bis heute als vermisst. Der gerade verjagte Präsident Gotabaya Rajapaksa habe sie für tot erklären wollen, um sich wegen der Umstände nicht vor dem Internationalen Strafgerichtshof als Kriegsverbrecher verantworten zu müssen, so die beiden Organisationen.
„Wessen Geistes Kind der Rajapaksa-Clan im singhalesischen Sri Lanka ist, hat sich in den letzten Monaten mehr und mehr gezeigt. Das tamilische Volk empfindet Genugtuung, dass dieser Clan erst einmal entmachtet und vertrieben worden ist“, heißt es weiter. Der Zorn über die Ausplünderung des Landes und die extreme Wirtschaftskrise und die damit verbundenen Proteste seien absolut legitim. Ein großes Problem stelle aber dar, dass sowohl die Protestbewegung als auch die neue Regierung es bereits kategorisch ablehnten, auf die Forderungen der eelam-tamilischen Gemeinschaft auch nur einzugehen. Dazu erklären der Volksrat der Eelam-Tamilen und die TYO:
„Als tamilische Bevölkerungsgruppe fordern wir die Anerkennung des Genozids, Entschädigungen, das Ende der Straffreiheit für die Kriegsverbrecher, die Freilassung unserer politischen Gefangenen und das Selbstbestimmungsrecht der Eelam-tamilischen Bevölkerung. Nur wenn diese Forderung verhandelt und erfüllt werden, ist die Chance auf eine Aussöhnung nach dem Genozid gegeben. Es muss Schluss sein mit dem alltäglichen Rassismus gegen die tamilische Bevölkerung und die strukturelle Benachteiligung der tamilischen Gebiete im Norden und Osten der Insel.
Noch auf dem Höhepunkt der Krise wurde tamilisches Land enteignet. Dafür hat es noch gereicht, denn die Besatzungsarmee und der Polizeiapparat sind voll funktionsfähig. Gerade sie waren es aber, die den ethnischen Mord am tamilischen Volk in den letzten Jahrzehnten vollzogen haben. Ohne ihre vollständige Entmachtung und Neuaufstellung kann es keinen Neuanfang geben. Der gigantische Rüstungsetat geht auch zu Lasten der singhalesischen Bevölkerung, es sind Gelder, die in anderen gesellschaftlichen Bereichen fehlen, gerade in der Krise.
Die aktuellen Ereignisse sind ein Meilenstein, aber sie sind kein Wendepunkt – und genau der ist nötig für sozialen Ausgleich und einen dauerhaften gerechten Frieden. Die Wiederkehr der alten ethnisch-singhalesischen Eliten im neuen Gewand werden wir genauso bekämpfen wie bisher, es wird uns gar keine andere Wahl bleiben. In Erinnerung an die Opfer des ‚Black July‘ und des Massakers von Mullivaikkal sind wir verpflichtet, für die selbstbestimmte Zukunft unseres tamilischen Volkes einzutreten – vor 39 Jahren – vor 13 Jahren und auch heute.“