Nicht einmal die Hälfte gefährdeter Ortskräfte wurde aus Afghanistan evakuiert

Von etwa 30.000 gefährdeten Afghan:innen, die eine Aufnahmezusage von der Bundesregierung erhalten haben, konnte bisher weniger als die Hälfte Deutschland erreichen.

Seit der Machtübergabe an die Taliban in Afghanistan und dem Rückzug internationaler Truppen sind Ortskräfte, die beispielsweise als Übersetzer:innen für die Bundeswehr arbeiteten, und andere „gefährdete Personen“ und ihre Familien in akuter Lebensgefahr. Die Bundesregierung hat 30.290 Personen eine Aufnahmezusage erteilt. Aus einer Kleinen Anfrage der linken Abgeordneten Clara Bünger geht jedoch hervor, dass bisher nur 14.112 Menschen, das heißt 46,6 Prozent der Betroffenen, in Deutschland einreisen konnten. Nach Angaben der Bundesregierung sei es auch schon bereits zu „einzelnen Todesfällen“ unter den zu Evakuierenden gekommen.

Bünger: „Unbeschreibliches Versagen der Bundesregierung“

Bünger kritisiert dieses Vorgehen als „unbeschreibliches Versagen der Bundesregierung bei der Evakuierung gefährdeter Menschen“ mit tödlichen Folgen und führt aus: „Mehrere Menschen, die eine Aufnahmezusage für Deutschland hatten oder sich im Aufnahmeverfahren befunden haben, sind seit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan ums Leben gekommen. Die Vorstellung ist schier unerträglich, dass Afghaninnen und Afghanen, die auf den Schutz der Bundesrepublik vertraut haben, den Taliban zum Opfer gefallen sind, weil trotz eindrücklicher Warnungen zu spät mit Evakuierungen begonnen und an zu bürokratischen Verfahren festgehalten wurde. Und mehr als die Hälfte derer, die von der Bundesregierung als gefährdet angesehen werden, wurde noch immer nicht in Sicherheit gebracht. Das ist unfassbar.“

Fast 5.000 Familienangehörige warten in Afghanistan auf Nachzug

Auch beim Familiennachzug von Menschen aus Afghanistan zu ihren Angehörigen in Deutschland gibt es nur langsam Bewegung. Aktuell warten immer noch 4.669 afghanische Familienangehörige darauf, überhaupt einen Visumsantrag stellen zu können. Die Wartezeiten betragen weit mehr als ein Jahr. Auch die Zahl der Familiennachzugsvisa hat nicht zugenommen. Bünger bewertet: „Fast 5000 Menschen, die wohlgemerkt das Recht haben, zu ihren engsten Angehörigen nach Deutschland zu kommen, müssen länger als ein Jahr darauf warten, überhaupt einen Visumsantrag bei der Botschaft stellen zu können. Die Bearbeitungszeiten kommen dann noch oben drauf. Das muss man sich mal vorstellen! Die Bundesregierung muss endlich wirksame Maßnahmen zur Beschleunigung der Familienzusammenführung ergreifen, damit das Recht der Menschen nicht nur auf dem Papier steht, sondern auch von ihnen wahrgenommen werden kann.“

Kein beschleunigtes Verfahren für Nachzug von Babys und Kleinkindern

Das Auswärtige Amt weigert sich trotz der langen Warte- und Bearbeitungszeiten und des vorrangig zu berücksichtigen Kindeswohls, ein besonders beschleunigtes Visumverfahren vorzusehen, wenn es um die Zusammenführung von Babys oder Kleinkindern mit einem Elternteil geht. Bünger sieht eine aus der UN-Kinderrechtskonvention und dem grundrechtlichen Schutz der Familie folgende Notwendigkeit, die Visaverfahren zu beschleunigen, wenn es um die Zusammenführung von Babys oder Kleinkindern mit ihren Eltern gehe. Sie erklärt: „Es kann nicht sein, dass Eltern und Kinder in dieser frühen Lebensphase durch die schleppende Visumsbearbeitung für viele Monate oder gar Jahre voneinander getrennt werden, und es schockiert mich, dass die grüne Außenministerin Baerbock hier keinen Regelungsbedarf sieht.“