Türkische Narrative im ARD-Podcast
Bei der Berichterstattung über die PKK in bundesdeutschen Leitmedien ist man Kummer gewohnt. Meist wird die türkische Propaganda gespiegelt, und der Hinweis auf das Verbot der Arbeiterpartei Kurdistans und Einstufung auf irgendwelchen Terrorlisten dürfen natürlich auch nicht fehlen. Obwohl es kontinuierlich Presseinformationen und Gesprächsangebote gab und gibt, waren Interviews mit Vertreter:innen der kurdischen Freiheitsbewegung bislang verpönt.
Das änderte sich in jüngster Zeit. Zum einen geriet nach dem Sturz des Baath-Regimes die Lage der Kurd:innen in Syrien in den Fokus. Die Begriffe „Kobanê“ und „Rojava“ und der Sieg über den „IS“ waren noch in Erinnerung, ebenso die Bilder von PKK-Kämpfer:innen, die sich an der Befreiung von Ezid:innen beteiligten. Plötzlich war es möglich, dass eine Delegation des Auswärtigen Amts die Demokratische Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (DAANES) besuchte und erste Kontakte initiierte.
Neues Interesse an der kurdischen Bewegung
Und dann sorgte auch in der deutschen Medienlandschaft der Vorschlag des Vorsitzenden der faschistischen MHP, Devlet Bahçeli, für Erstaunen, der vorschlug, der seit 26 Jahren auf der Gefängnisinsel Imrali isolierte Gründer der PKK, Abdullah Öcalan, solle im türkischen Parlament sprechen. Diese jüngsten Entwicklungen schlugen sich nieder in einem neuen Interesse an der kurdischen Freiheitsbewegung und der PKK. Das ZDF veröffentlichte zum Beispiel ein Interview der Korrespondentin Golineh Atai mit dem Generalkommandanten der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD), Mazlum Abdi.
In einem vor zwei Tagen ausgestrahlten Beitrag in der „Kulturzeit“ des TV-Senders 3sat unter dem Titel „Syrische Kurdinnen kämpfen für ihre Rechte“ konnten neben der Schriftstellerin und Journalistin Ronya Othmann und der Politikwissenschaftlerin Dastan Jasim auch Ilham Ahmed, die Leiterin des Büros für Außenbeziehungen in Nordost- und Ostsyrien, ihre Sicht erläutern. Erfreulicherweise wurde in dem Beitrag auch inhaltlich darauf eingegangen, wofür die kurdische Bewegung steht. So stellte Ilham Ahmed den Gesellschaftsvertrag von Rojava vor und ging auf die darin festgeschriebenen Rechte der Frauen ein.
Abdullah Öcalan führte von der Gründung der PKK 1978 bis zu seiner völkerrechtswidrigen Verschleppung aus Kenia auf die türkische Gefängnisinsel Imrali am 15. Februar 1999 den kurdischen Befreiungskampf an. Er gilt nach wie vor als führender Stratege und wichtigster politischer Repräsentant der kurdischen Freiheitsbewegung. Seine in Isolationshaft verfassten Gefängnisschriften, in denen er den Paradigmenwechsel der PKK von einer nationalen Befreiungspartei hin zu einer radikaldemokratischen, multiethnischen und politisch offenen Basisbewegung für den gesamten Mittleren Osten anstieß und die politische Philosophie des Demokratischen Konföderalismus begründete, haben seit 1999 weltweit große Beachtung gefunden. Foto © ANF
Türkische Narrative im Podcast der ARD
Kamen in diesen beiden Beiträgen also auch Betroffene zu Wort, vermisst man dies im gestern veröffentlichten Podcast der ARD. Unter dem Titel „Türkei und PKK: Gibt es Hoffnung auf einen Friedensprozess?“ verbreitet Uwe Lueb, Korrespondent im ARD-Studio Istanbul einseitig türkische Propaganda. Er berichtet zunächst über den Besuch der DEM-Delegation auf Imrali. Dabei legt er den Zuhörer:innen gleich nahe, um wen es sich seiner Ansicht nach bei Abdullah Öcalan handelt: „Wir reden hier über einen Hochkriminellen, einen Verbrecher, einen Terroristenführer.“
Im Folgenden unternimmt er dann den Versuch, über die Geschichte und die Ziele der PKK zu „informieren“. Immer wieder werden Schlagzeilen über vergangene PKK-Operationen zitiert und damit der militärische Kampf in den Vordergrund gestellt. Weiter geht es dann mit der Wiederholung der türkischen Erzählung von angeblichen Verschleppungen kurdischer Jugendlicher seitens der PKK. Schließlich kommt man auf die DAANES zu sprechen, wo sich „eine Art Selbstverwaltung“ etabliert habe. Betont wird das „türkische Sicherheitsinteresse“ als Rechtfertigung der Angriffe der von der Türkei unterstützten dschihadistischen Milizen. Abschließend versteigt sich Lueb zu der Behauptung, Öcalan habe verstanden, „dass die PKK mit ihrem Kampf am Ende ist“ und man „nichts erreicht“ habe.
Selbst wenn man in Betracht zieht, dass Auslandskorrespondenten in Istanbul immer Gefahr laufen, ihre Akkreditierung zu verlieren, wenn sie dem Regime in Ankara nicht nach dem Mund reden, ist die Verbreitung eines derartigen von Falschbehauptungen, Verleumdungen und der Wiederholung türkischer Narrative strotzenden Podcasts, schon erbärmlich.
Deutschen Medienvertreter:innen sei empfohlen, endlich die vielfältigen Angebote der auch in Europa präsenten kurdischen Bewegung zu nutzen und die jahrzehntelang kolportierten Legenden um die PKK zu entrümpeln.