Seit dem 1. Oktober 2019 dauern die Proteste gegen die Regierung im Irak an. Bei den Straßenprotesten wurden mindestens 545 Menschen getötet und 24.000 verletzt. Manche Quellen setzen die Zahl der Getöteten auf 600 und die Zahl der Verletzten bei 30.000 an. Nach Angaben der Menschenrechtskommission des irakischen Parlaments sind 17 Angehörige der Sicherheitskräfte unter den Toten. 2.800 Menschen wurden seit dem 1. Oktober im Rahmen der Proteste festgenommen. Alle bis auf 38, die wegen Tötungsdelikten angeklagt wurden, sind der Menschenrechtskommission zu Folge wieder freigelassen worden. 79 Personen wurden von Unbekannten entführt und sind seither verschwunden. 56 Personen, die die Demonstrationen angeführt hatten, wurden von Unbekannten ermordet.
Muqtada al-Sadrs Haltung in der Krise
Aufgrund der massiven Proteste musste Ministerpräsident Adel Abd al-Mahdi Anfang November zurücktreten. Der irakische Präsident Barham Saleh führte Gespräche, um eine Regierung aus sunnitischen, schiitischen und kurdischen Vertretern zu bilden. Allerdings zeitigte keines dieser Treffen ein Ergebnis. Anfang Februar wurde frühere irakische Kommunikationsminister Mohammed Taufik Allawi mit der Bildung einer Übergangsregierung beauftragt. Nach zwei Wochen versuchter Regierungsbildung erklärte der einflussreiche schiitische Kleriker Moqtada al-Sadr: „Für den Fall, dass die Regierung Vertretern von Parteien die Ministerposten überträgt, werden wir diese Regierung innerhalb von drei Tagen stürzen.“ Er fordert eine Expertenregierung ohne Parteienvertreter.
PDK verweigert sich einer Regierung ohne Parteien
Verschiedene Kräfte unterstützen Allawi bei der Bildung einer Regierung aus den klassischen Parteien. Fazil Mirani aus dem Politbüro der südkurdischen PDK erklärte zu einer Regierung aus Experten: „Niemand darf an Stelle der Kurden entscheiden. Wenn wir nicht selbst Namen für Minister einreichen, können wir diese Minister nicht als unsere Minister bezeichnen.“ Heute soll Mirani gemeinsam mit anderen Parteien aus Kurdistan mit schiitischen und sunnitischen Parteivertretern zusammenkommen.
Allawi: Dem Irak droht der Zusammenbruch
Laut irakischen Medienberichten warnt Muhammed Allawi davor, dass ein Scheitern der neuen Regierung zum Zusammenbruch des nach 2003 entstandenen politischen Systems und des gesamten Landes führen würde. Damit werde einer Einmischung anderer Staaten in die inneren Angelegenheiten des Irak gänzlich die Tür geöffnet.
Nach Angaben von Quellen aus dem nahen Umfeld von Allawi hat der unabhängige Politiker bedingungslose Unterstützung von den Parteien gefordert. Er werde die Minister festlegen und lehne jegliche Einmischung ab. Allawi habe die Unterstützung der Fraktionen im Parlament erhalten und das Versprechen gegeben, dass vorgezogene Neuwahlen stattfinden und den Forderungen der Protestbewegung entsprochen wird.
Bis spätestens Anfang März muss Allawi dem Parlament die Liste für das Kabinett vorlegen.