Friedensnobelpreisträger Esquivel gratuliert Öcalan

Der argentinische Friedensnobelpreisträger, Menschenrechtsaktivist und Künstler Adolfo Pérez Esquivel schreibt in einem Geburtstagsgruß an Abdullah Öcalan: „Ich weiß, was es bedeutet, aufgrund von Solidarität zu überleben.“

Der argentinische Friedensnobelpreisträger, Menschenrechtsaktivist, Autor und Bildhauer Adolfo Pérez Esquivel hat eine Karte an den kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan zu dessen 70. Geburtstag am 4. April 2019 geschrieben. In der Grußbotschaft heißt es: „Es gibt keine mögliche Rechtfertigung für die Behandlung eines Menschen, einer inhaftierten Person, so wie Sie behandelt werden. Ich weiß, was es bedeutet, Überlebender zu sein, Überlebender aufgrund von Solidarität.“

Esquivel war 1977 selbst unter der argentinischen Militärjunta 14 Monate inhaftiert und schwer gefoltert worden. Er kam 1978 aufgrund großer internationaler Solidarität frei, erhielt 1980 den Friedensnobelpreis und engagiert sich heute weiterhin für Menschenrechte und soziale Rechte.

Der Brief Esquivels an Öcalan lautet:

„Werter Bruder und Genosse, ich sende Ihnen zunächst meine wärmsten Grüße und besten Wünschen. Man feiert nicht jeden Tag seinen 70. Geburtstag.

Ich hatte noch nicht das Privileg, Sie persönlich kennenzulernen, aber ich hätte sehr gerne diesen Moment mit ihnen geteilt. Dieser Tag ist ein verheißungsvoller Moment, um gemeinsam die Freuden und Hoffnungen dieses Lebens in einer aufgewühlten Welt, die so dringend Veränderung benötigt, zu feiern. Ein Augenblick um innezuhalten und gemeinsam die von Ihnen vorgelegte Roadmap für den Frieden zu reflektieren und über alles, was wir mit unseren Völkern erlebt, was wir erreicht und gelernt haben, zu sprechen, damit wir gefestigt auf unserem Weg fortschreiten können.

Auf alle Fälle hoffe ich, dass dieses Treffen bald stattfindet. Ich bin davon überzeugt, dass die Mühen, die in diesen Momenten von all den Frauen und Männern, Anführern des kurdischen Volkes wie Ihnen, Militanten des Lebens und des Rechtes des ganzen Volkes auf Würde und Selbstbestimmung nicht vergebens sind. Es handelt sich um einen aufrichtigen Ausdruck der Liebe und des Vertrauens in Ihre Person und der Kraft der Bevölkerung, ihre Rechte und ihre Forderungen zu erobern.

In diesem Geiste nutze ich dieses so besondere Datum, um den Präsidenten und die Autoritäten der Türkei dazu aufzufordern, die Isolation sofort zu beenden. Es gibt keine mögliche Rechtfertigung für die Behandlung eines Menschen, einer inhaftierten Person, so wie Sie behandelt werden. Es war ebenfalls der 4. April, damals im Jahr 1977, als ich in Argentinien von der Junta verhaftet wurde. Ich weiß, was willkürliche Verhaftung, Folter und Gefängnis bedeuten und was es heißt, dem Tod unter diesen illegalen und verzweifelten Bedingungen gegenüberzutreten. Aber ich weiß auch, was es bedeutet, Überlebender zu sein, Überlebender aufgrund der Solidarität.

Leyla Güven und ihre vielen Landsleute, Frauen und Männer, viele von ihnen so wie Sie im Gefängnis, setzen ihr Leben ein und haben dafür gesorgt, dass die Welt von der Notwendigkeit einer Reaktion, eines dringenden Wandels der Haltung der türkischen Regierung weiß. Jeden Tag erklingen neue Stimmen, die ein Ende Ihrer Isolation fordern. Die Forderung ist dringend und einfach: Die türkische Regierung muss ihre eigenen Gesetze und Verpflichtungen entsprechend den internationalen und europäischen Menschenrechtskonventionen einhalten. Nicht mehr und nicht weniger. Ich hoffe, sie erfüllt diese Empfehlungen ohne weitere Verzögerung, damit es weitergehen kann auf dem Weg des Friedens und der Würde, dem Weg der Freiheit, nach dem sich Ihr Volk und alle Völker der Welt sehnen.

Ich sende Ihnen eine brüderliche Umarmung des Friedens und der Liebe, in der Hoffnung auf unser baldiges Treffen.“