Kurtay Korkmaz, einer der Kommandanten der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD), erklärt, die Vernichtung der physischen Existenz des IS und dessen brutalem Regime stelle nur die erste Phase des Kampfes dar. Der Kampf gegen die Haltung, die hinter dem IS steht, habe gerade erst begonnen. Außerdem betont Korkmaz, die hohe Akzeptanz der QSD in der Bevölkerung des ostsyrischen Gouvernements Deir ez-Zor beruhe auf einem besonderen Vorgehen: „Wir haben uns nicht nur militärisch engagiert, wir haben die gesellschaftliche Moral zur Grundlage genommen. Wir haben die Besonderheiten respektiert und nicht zugelassen, dass die kulturellen Strukturen beschädigt werden. Wir haben die Angriffe auf ihre materiellen und geistigen Werte zurückgeschlagen. Wir haben uns weder autoritär aufgespielt wie das Regime noch die Menschen wie der IS tyrannisiert.“
In diesen Tagen erleben wir die letzten Atemzüge des selbsternannten IS-Kalifats. Für die Zeitung Yeni Özgür Politika hat Medya Doz mit Kurtay Korkmaz, einem Kommandanten der QSD an der vordersten Front in Deir ez-Zor, über die aktuellen Entwicklungen gesprochen. Korkmaz hat seit Beginn der Revolution von Rojava an den verschiedensten Frontabschnitten gegen den IS gekämpft.
Wie allgemein bekannt ist, geht Ihr Kampf gegen den IS dem Ende zu. Was war Strategie und Ziel Ihres siebenjährigen Kampfes und insbesondere der Offensive „Gewittersturm Cizîrê“ in Deir ez-Zor?
Seit Jahren bekämpfen wir die mörderische Mentalität des IS. Manche Staaten, die bisher lauthals Tiraden gegen den IS-Terror geschwungen haben, schweigen jetzt. So als ob der IS-Terror durch eine geisterhafte Kraft besiegt worden sei. Wir erwarten nicht, dass sie den Demokratischen Kräften Syriens gratulieren, aber die Wahrheit zu verdrehen, zu ignorieren und einfach unter den Tisch fallen zu lassen, hat keinerlei moralischen Wert. Es gibt in der Politik keine Gegenleistung für Loyalität, aber die Geschichte erinnert an alles. Mögen die Herrschenden auch vertuschen was sie wollen, die Wahrheit lässt sich nicht ausradieren. Die Stellen der Macht mögen vergesslich sein, aber die Geschichte vergisst nicht. Insofern liegt der Erfolg der QSD in ihrer epischen Geschichte.
Wenn der IS nicht durch den bewaffneten und ideologischen Kampf in ganz Kurdistan, im Şengal und in Syrien gestoppt worden wäre, hätte er sich auf die ganze Welt ausgebreitet. Wir haben den IS nicht nur in Rojava bekämpft. Wir sind im gesamten Mittleren Osten und weltweit gegen ihn vorgegangen. Der IS wurde durch eben diesen Kampf zerschlagen. Er wurde zerschlagen, weil er uns angegriffen hat. Wenn der IS nicht hierhergekommen wäre, hätte er sehr gute Chancen gehabt, sich auszubreiten und zu systematisieren. Denn der IS ist keine normale Organisation, er hatte seine Möglichkeiten durch dutzende Staaten bekommen. Wir haben nicht nur gegen ein paar bärtige, brutal aussehende Kerle gekämpft. Wir haben gegen ein bestens ausgestattetes Projekt und eine Mentalität der organisierten Grausamkeit gekämpft. Wir aber haben einen außergewöhnlichen Willen gezeigt und dadurch gewonnen. Die Operation „Gewittersturm Cizîrê“ war nur eine Phase in unserem Krieg. So haben wir den Kampf gegen den IS mit Dutzenden geplanten Offensiven und sehr unterschiedlichen Strategien zum Erfolg geführt. Wir haben strategische Intelligenz, politisches Bewusstsein und ideologische Überzeugung miteinander verbunden. Der Hauptgrund für unseren Erfolg ist die Richtigkeit unserer Ideologie. Unsere strategische Basis war der gerechtfertigte Widerstand. Es ist nicht möglich, gegen eine Kraft wie den IS ohne Taktik, Strategie und Ideologie Erfolg zu haben.
Zu Deir ez-Zor möchte ich folgendes festhalten: Deir ez-Zor hat eine Stammesstruktur, eine solide, unnachgiebige gesellschaftliche Form, die sich niemandem beugt. Viele Herrscher haben versucht, diese Region zu kontrollieren, aber die Bevölkerung von Deir ez-Zor mit ihrer unnachgiebigen Stammesstruktur hat es nicht zugelassen. Sie hat sich vor keinem herrschenden System gebeugt.
Aber wie wurden Sie akzeptiert, wie konnten die QSD die Bevölkerung gewinnen?
Um die Liebe der Bevölkerung zu gewinnen, müssen Opfer erbracht werden. Davon sind wir nicht zurückgeschreckt. Wenn es in der Bevölkerung eine Sympathie gibt, hat das verschiedene Gründe. Zum einen haben wir uns nicht nur militärisch engagiert, wir haben die gesellschaftliche Moral zur Grundlage genommen. Wir haben die Besonderheiten respektiert und nicht zugelassen, dass die kulturellen Strukturen beschädigt werden. Wir haben die Angriffe auf ihre materiellen und geistigen Werte zurückgeschlagen. Zum anderen haben wir uns weder autoritär aufgespielt wie das Regime noch die Menschen tyrannisiert wie der IS. Die Bevölkerung von Deir ez-Zor war von unserer Haltung beeindruckt und hat uns unterstützt.
Tausende Menschen aus Deir ez-Zor kamen und schlossen sich den QSD an. Auf diese Weise wurden die QSD zur Verteidigungskraft der Völker der Region. Die menschlichste Aufgabe war es, der mehrheitlich arabischen Bevölkerung die Initiative zu geben, sich selbst zu verwalten und sich selbst in einem demokratischen System auszudrücken. Diese Aufgabe wurde ebenfalls erfüllt.
Was fühlen Sie im Angesicht des Endes des IS, wie geht es weiter?
Die Vernichtung der physischen Existenz des IS und dessen brutalen Regime stellt nur die erste Phase des Kampfes an. Jeden Schritt in dieser Phase zu gehen und am Ende erfolgreich zu sein, macht einen natürlich glücklich und stolz. Der eigentliche Krieg besteht jedoch in den Kämpfen zwischen richtigem und falschem Bewusstsein. In diesem Krieg stehen wir noch am Anfang. Demokratie und Freiheit hier aufzubauen, wird nicht leicht, aber großartig sein.
Was werden wir in Zukunft tun? Wir haben unserer Bevölkerung einen legalen Status versprochen und dafür werden wir pausenlos weiterarbeiten. Wir werden uns auf den Schutz der geistigen und materiellen Existenz unserer Bevölkerung fokussieren und unsere Verteidigungsaufgabe erfüllen.