Vehibe Seydi Temo ist 63 Jahre alt und lebt im Binnenflüchtlingslager Serêkaniyê. Das Flüchtlingslager ist nach der Stadt benannt, aus der durch die türkische Besetzung vor drei Jahren mehr als 200.000 Menschen vertrieben wurden. Sie musste alles, ihr Haus und ihren Besitz hinter sich lassen und mit Kindern und Enkeln die besetzten Gebiete verlassen. Sie erinnert sich im ANF-Gespräch: „Wir konnten nichts von dem, was wir benötigten, mitnehmen und hatten nur die Kleider am Leib. Sie [die türkischen Truppen] bombardierten alles willkürlich, egal ob Frauen oder Kinder. Wir ließen alles hinter uns und kamen so nach Hesekê.“
„Uns ist nichts geblieben“
In Serêkaniyê hatte die Familie ein geordnetes Leben, ein Stück Land und eigene Wohnungen. Die Großmutter klagt: „Wir hatten unser eigenes Land. Wir waren in der Landwirtschaft tätig, hatten eine große Familie und konnten sehr gut davon leben. Jetzt haben wir nichts mehr zum Leben. Wir können kaum unseren Lebensunterhalt bestreiten. Unser Haus ist weg. Es ist nicht einmal klar, ob es abgerissen oder verbrannt wurde oder ob jetzt Söldner darin leben.“
„Wir wollen auf unser Land zurück“
Temo träumt von einer Rückkehr: „Es gibt keine schwierigere Situation als das Leben weg von zu Hause. Es ist eine Sache, mit seiner Familie auf seinem eigenen Land zu leben, und eine andere, als Flüchtling in Zelten zu wohnen. Wir haben nun Hunger und Durst kennengelernt. Wir haben nichts mehr. Unser Haus und unser Land ist verloren.“
„So lange der IS und Erdoğan in Serêkaniyê sind, können wir nicht zurück“
Dennoch gibt sie ihre Hoffnung nicht auf: „Der Tag meiner Rückkehr wird der glücklichste Tag in meinem Leben sein. Alle Familien, die Serêkaniyê verlassen haben, leben derzeit unter sehr schwierigen Bedingungen. Wir können nicht in unsere Häuser zurückkehren, weil sie besetzt sind. Nicht nur ich, sondern alle Familien denken so. Solange der IS und Erdoğan in Serêkaniyê sind, können wir nicht nach Hause zurückkehren. Erdoğan massakriert unsere Kinder. Die Menschen hängen an ihrem Land, ihren Häusern und allem, was dazugehört. Tausende von Menschen wurden aufgrund von Erdoğans Angriffen von ihrem Heim vertrieben. Erdoğan kam nach Serêkaniyê, um zu rauben, zu plündern und zu massakrieren.“
Türkische Invasion würde Millionen vertreiben
Seit Mitte des Jahres kündigt der türkische Regimechef Erdoğan die Ausweitung der besetzten Gebiete an. Sollte es dazu kommen, und sollte Erdoğan erfolgreich sein, werden Millionen von Menschen in die Flucht gezwungen und für viele würde zwischen dem Regime und den besetzten Gebieten keine andere Alternative als die oft tödliche Flucht ins Ausland bleiben. Bisher konnte eine solche Invasion verhindert werden, da Erdoğan einerseits die internationale Unterstützung dafür zu fehlen scheint und andererseits die Verteidigungskräfte und die Selbstverwaltung sowohl auf diplomatischer als auch auf militärischer Ebene die Region effektiv verteidigen.