Dass die Türkei auch in Zeiten einer Pandemie nicht von ihrer kriegstreiberischen und autoritären Politik abkehrt, lässt sich aktuell wieder in Nordsyrien beobachten. Seit Tagen finden Ansiedlungen von Dschihadisten und ihren Familien in den seit vergangenem Oktober besetzten Städten Serêkaniyê (Ras al-Ain) und Girê Spî (Tall Abyad) statt. Allein in der letzten Woche passierte ein Konvoi aus etwa 600 Fahrzeugen von Söldnern der Proxy-Truppe „Syrische Nationalarmee” (SNA) unter dem Schutz von Panzerwagen aus Dscharablus über Antep (kurd. Dîlok) die Grenze zur Türkei, um über den Grenübergang Akçakale (Kaniya Xezalan) in Urfa (Riha) wieder zurück auf nordsyrisches Territorium gebracht zu werden.
Über die gleiche Strecke gelangten auch gestern wieder tausende Islamisten und ihre Angehörigen aus Dscharablus in die türkische Besatzungszone Nordsyriens. Die langfristige demografische Veränderung von Rojava, weg von einer multiethnischen und multireligiösen Region, hin zu einer sunnitisch-muslimisch dominierten Region unter Kontrolle des Nato-Partners Türkei und mit ihm verbündeter Islamisten aus der sogenannten SNA, einem Bündnis aus dschihadistischen und rechtsextremen Gruppierungen, die teilweise wie der Al-Qaida-Ableger Ahrar al-Sham auch international als Terrororganisationen verfolgt werden, wird von Europa faktisch gebilligt. Die EU hat die Mittel und Wege, um Erdoğans Krieg in Syrien zu stoppen. Dennoch findet sie nicht aus der Ohnmacht heraus, sondern lässt sich mit dem Flüchtlingsdeal erpressen.