Tabqa – ein Jahr nach der Befreiung, Teil 2

Die Befreiung von Tabqa aus den Händen des IS kann nicht auf eine militärische Operation begrenzt betrachtet werden. Mit der politischen und Organisierungsarbeit wurde die Möglichkeit eines freien Zusammenlebens der Menschen geschaffen.

Der zweite Teil des Dossiers beschäftigt sich mit dem politischen und militärischen Aufbau seit der Befreiung von Tabqa vor einem Jahr.

Der politische Aufbau

Zunächst wurde die Selbstverwaltung von Tabqa von Ayn Îsa aus vorbereitet. Die politischen Arbeiten zielten darauf ab, das freie und friedliche Zusammenleben der verschiedenen Identitäten zu stärken und die Führung der Stadt durch die Bevölkerung zu ermöglichen. Nach der Gründung des Zivilrats von Raqqa wurde Tabqa durch sieben der 27 Ratsmitglieder vertreten. Im Rahmen der Organisierungsarbeit wurden Komitees für den Kontakt zur Bevölkerung, Ökonomie, Sicherheit, Dienstleistungen und ähnliches gegründet.

Das Ratsmitglied Ehmed Silêman berichtete gegenüber ANHA von den unmenschlichen Praktiken des IS gegen die Bevölkerung in den sieben Jahren seiner Herrschaft über die Stadt. Der IS habe in dieser Zeit ständig versucht, die verschiedenen Bevölkerungsgruppen gegeneinander aufzuhetzen. Um die Stadt aus dieser verheerenden Situation zu befreien, sind die Mitglieder des Zivilrats von Raqqa in die Region Tishrin gegangen und haben dort den aus 30 Personen bestehenden Zivilrat von Tabqa gegründet. Silêman fügte hinzu, dass alle Religionen und Völker der Region im Rat vertreten sind.

Nach der Befreiung von Tabqa begann der Rat die Grundbedürfnisse der Bevölkerung zu decken, die Trümmer zu beseitigen und anschließend Stadtteilräte zu gründen. Als Tabqa befreit wurde, lebten nur noch etwa 16.000 Menschen in der Stadt. Aufgrund der Aufbauarbeit und der sicheren Umgebung stieg die Einwohnerzahl auf 80.000.

Die Ko-Vorsitzende des Gründungsrats von Tabqa, Rûşen Hemê, erzählt von Änderungen im Modell  der Selbstverwaltung, um auf die speziellen Bedürfnisse der Region einzugehen: „Nachdem für die Sicherheit in Tabqa gesorgt war, begann die Einwohnerzahl der Stadt zu steigen. Der Rat der Selbstverwaltung entschied sich am 11. September 2017 zur Vorbereitung der Gründung eines Legislativrats. Am 25. September 2017 wurde dann der aus 55 Personen gestehende Legislativrat gegründet.“

Die Demokratische Zivile Selbstverwaltung von Tabqa wurde am 1. Dezember 2017 offiziell gegründet. Der Ko-Vorsitzende des Leitungsrats, Şiyar Mihemed, erklärt, dass unter schweren Bedingungen große Erfolge errungen worden sind. In Tabqa hat es trotz aller Schwierigkeiten und Einschränkungen beachtliche Fortschritte auf politischem Gebiet gegeben. Politische Vertreter*innen der Stadt haben begonnen, Aufgaben in der Zukunftspartei Syriens zu übernehmen und so einen Beitrag zur politischen Lösung des Syrienkriegs zu leisten. Weiterhin fanden in der Region viele Aktionen gegen die Angriffe der Türkei auf Efrîn statt.

Militärisch

Um die für die Region sowohl politisch als auch ökonomisch bedeutsame Stadt zu befreien, hat es in der Vergangenheit etliche Operationen gegeben. Die syrischen Regimekräfte haben 2016 mit russischer Luftunterstützung eine Operation begonnen, um Tabqa dem IS zu entreißen. Als sich die russischen Kampfflugzeuge aufgrund der sich verändernden regionalen Machtverhältnisse zurückzogen, war das Regime ebenfalls gezwungen, sich unter schweren Verlusten aus der Stadt zurückzuziehen.

Die Operation „Zorn des Euphrat“

Die Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) begannen im November 2016 die Operation „Zorn des Euphrat“, um die Region zu befreien. Russland und Iran begannen gleichzeitig Operationen gegen die Milizen in der Umgebung von Aleppo. Die QSD und die internationale Koalition schickten Kräfte nach Tabqa und begannen den IS einzukreisen. Zunächst wurden der Flughafen von Tabqa und umliegende Dörfer befreit. Mit der Befreiung des Stadtzentrums von Tabqa am 10. Mai begann eine neue Phase. Immer mehr Jugendliche aus der Stadt schlossen sich den QSD an und übernahmen die Verteidigung der Region. Aufgrund des andauernden Zustroms aus Tabqa wurde von Jugendlichen aus Tabqa und den ansässigen Stämmen am 13. November im Dorf El-Sefsaf die erste eigene Brigade gegründet. In der Folgezeit wurden weitere Militäreinheiten gebildet. Der Legislativrat von Tabqa erließ außerdem ein Selbstverteidigungsgesetz zum Schutz der Region und am 31. Dezember wurde die Selbstverteidigungsbrigade Ehmed al-Reqawî gegründet.

Der nächste Teil des Dossiers wird sich mit der Frauenorganisierung in Tabqa beschäftigen.

ANHA