Tabqa – ein Jahr nach der Befreiung, Teil 1

Ein Jahr nach der Befreiung von Tabqa aus den Händen des IS ist viel im Wiederaufbau der nordsyrischen Stadt geschehen. Von Infrastruktur bis hin zur gesellschaftlichen Selbstorganisierung sind wichtige Schritte unternommen worden.

Lange Zeit stand die nordsyrische Stadt Tabqa unter der Schreckensherrschaft des Islamischen Staat (IS). Vor einem Jahr wurde Tabqa von den Demokratischen Kräften Syriens (QSD) befreit und sofort mit dem Wiederaufbau von Stadt und Gesellschaft begonnen.

Demokratische Stadtverwaltung gebildet

Direkt nach der Befreiung am 10. Mai 2017 begann die Bevölkerung der Stadt damit, die vom IS angerichteten massiven Zerstörungen zu beseitigen. Stromversorgung, Kanalisation und Wasserleitungssystem waren zum größten Teil zerstört, der Müll türmte sich in den Straßen. Der Gründungsrat von Tabqa und sein Dienstleistungskomitee begannen mit den begrenzten vorhandenen Möglichkeiten, die Verwüstung zu beseitigen. Die Bewohner*innen von Tabqa arbeiteten mit den ihnen zur Verfügung stehenden Fahrzeugen und Werkzeugen gemeinsam mit den Mitarbeiter*innen der Stadtverwaltung und dem Dienstleistungskomitee daran, die Müllberge zu beseitigen.

Die Einwohner*innen der Stadt nahmen freiwillig an diesen Arbeiten teil. Eine Gruppe unter der Führung von Samir El-Selac aus Tabqa begann damit die Pumpstationen von Tabqa zu reparieren, um die Wasserversorgung der Stadt wieder in Gang zu bringen. Samir El-Selac wurde getötet, als eine vom IS in der Pumpstation gelegte Sprengfalle detonierte, viele seiner Mitstreiter*innen wurden verletzt. In Folge dieses Ereignisses zog das Dienstleistungskomitee die Arbeiten an sich und eröffnete am 25. Mai die demokratische Stadtverwaltung.

Die Arbeiten der Stadtverwaltung von Tabqa teilen sich in vier Aufgabenbereiche auf: Reinigung, Wasser, Gesundheit, Ökologie und Feuerwehr. Einer nur 50-köpfigen Kerngruppe, ausgestattet mit zwei Traktoren, gelang es, die Müllberge verschwinden zu lassen und so dem Markt von Tabqa eine Wiedereröffnung zu ermöglichen. Mit neuen Arbeitsmaschinen konnte die Stadtverwaltung die Reinigungsarbeiten in der Stadt bis Oktober 2017 abschließen.

Die Kanalisation der Stadt hatte insbesondere durch die vom IS ausgehobenen Schützengräben und unterirdischen Militäreinrichtungen schwere Schäden erfahren. Die Mitarbeiter*innen der Stadtverwaltung begannen mit der Reparatur der Kanalisation der Stadt. Im Rahmen dieser Arbeiten wurden in der ersten Etappe die Stadtviertel nördlich und östlich des Zentrums wieder an die Kanalisation angeschlossen.

Wasserversorgung wiederhergestellt

Da der IS die Wasserverteilstationen der Stadt gesprengt hatte, blieb die Stadt 50 Tage ohne Wasser. Die Mitarbeiter*innen der Stadtverwaltung gewährleisteten die Wasserversorgung mit ein paar Wassertankwagen und Feuerwehrfahrzeugen. Die Reparatur der Wasserleitungen dauerte etwa einen Monat. Danach stand die Trinkwasserversorgung der Bevölkerung im Stadtzentrum und in den Flüchtlingscamps. Im Stadtzentrum wurde damit begonnen Parks und Gärten wiederherzustellen und es wurden Hunderte Bäume gepflanzt.

Euphrat-Staudamm wieder in Betrieb

Mit der Besetzung von Tabqa im Februar 2011 wurde der Tabqa-Staudamm schwer beschädigt. Der IS benutzte den Staudamm als militärisches Hauptquartier. Nach der Befreiung von Tabqa begannen Spezialeinheiten sofort mit der Räumung der Minen. Mit dem Abschluss der Räumungsarbeiten am 20. März wurde mit der Reparatur des Staudamms und des dortigen Wasserkraftwerks begonnen. Nach fünfmonatiger Arbeit begann die Versorgung der ländlichen Regionen mit Wasser und die Produktion von Elektrizität von Neuem.

160 Schulen mit 50.000 Schüler*innen

Mit der Besetzung der Stadt Tabqa kam die Schulbildung in Tabqa für sieben Jahre zum Erliegen. Am 15. Mai 2017 wurde mit den Arbeiten zur Wiedereröffnung von Tabqas Schulen begonnen. Gleichzeitig wurden Lehrkräfte ausgebildet. Im Juli war die erste Ausbildungseinheit für Lehrer*innen abgeschlossen. Die Lehrer*innen begannen auf freiwilliger Basis mit dem Unterricht in ihren Häusern und Zelten, während die Reparatur und Minenräumungsarbeiten in den Schulen der Stadt beschleunigt wurden.

Im Oktober 2017 begann das Schuljahr an 160 Schulen in Tabqa. An diesen Grund- und Mittelschulen wird 50.000 Schüler*innen nach langer Zeit nun wieder Unterricht gegeben. Mit dem Anstieg der Zahl der Lehrer*innen und Schüler*innen wurde der Verband der Lehrer*innen und der Verband der Schulleiter*innen gegründet.

Arbeiten am Gesundheitswesen gehen weiter

Der IS hatte das Krankenhaus El-Watanî besetzt und seine Verletzten dort behandelt. Später wurde das Krankenhaus vom IS zerstört. Der Zivilrat von Tabqa begann am 15. Mai im Rahmen der Wiederherstellung der Gesundheitsversorgung der Stadt mit dem Wiederaufbau des Krankenhauses. Im Juni 2017 eröffnete die Hilfsorganisation Heyva Sor a Kurd eine Niederlassung dort und begann mit der Versorgung der Bevölkerung. Nach der Befreiung der Stadt kamen auch Ärzt*innen und Apotheker*innen in die Stadt zurück. Im Oktober 2017 wurde das Apotheker*innen Syndikat gegründet. Während Heyva Sor a Kurd in den Regionen Cirniyê, Mehmûdliyê und Mensûre Gesundheitsleistungen anbietet, dauern die Arbeiten an einer Eröffnung einer Poliklinik im El-Watanî Krankenhaus an. Aufgrund der beschränkten Möglichkeiten werden Schwerkranke weiterhin auf die Krankenhäuser in Minbic, Kobanê und Qamişlo verteilt.

Gesellschaftliche Organisierung

Nach der Gründung des Zivilrats von Tabqa begann die Organisierung der Stadt in Räten und Kommunen. Vom Rat wurde eine Gründungsversammlung einberufen, welche Treffen und Seminare zur Selbstorganisierung durchführte. Nach der Gründung der Räte wurden Volkshäuser eröffnet und unter dem Dach der Räte Dienstleistungskomitees aufgebaut. Innerhalb von vier Monaten bildeten sich 180 Räte.

ANHA | MIHEMED EL-EREB