Spannungen zwischen türkischen Truppen und HTS in Idlib

Bei Protesten gegen eine russisch-türkische Patrouille in der nordsyrischen Provinz Idlib ist es zu Spannungen zwischen türkischen Besatzungstruppen und dem Al-Qaida-Ableger HTS gekommen. Zudem gingen türkische Polizisten gegen Demonstranten vor.

Bei Protesten gegen eine gemeinsame Patrouillenfahrt türkischer und russischer Truppen in der nordwestsyrischen Provinz Idlib ist es zu Spannungen zwischen dem Dschihadistenbündnis Hayat Tahrir al-Sham (HTS) und türkischen Soldaten gekommen. Nach vorliegenden Informationen blockierten Einwohner die Autobahn M4 in der Nähe der Ortschaft Nairab, um die Kontrollfahrt zu verhindern, und riefen dabei: „Wir wollen keine Besatzer hier haben“. Daraufhin rückten türkische Polizisten an und gingen gegen die Menschenmenge vor, zwischenzeitlich sogar mit Tränengas. Währenddessen schossen in unmittelbarer Nähe HTS-Dschihadisten mit schweren Waffen in die Luft.

Schon Proteste bei erster Kontrollfahrt 

Die gemeinsamen Patrouillen an der strategisch wichtigen Schnellstraße sind in dem Anfang März von Recep Tayyip Erdoğan und Wladimir Putin ausgehandelten Abkommen über eine Waffenruhe vorgesehen. Bereits die erste gemeinsame Patrouille in Idlib vor knapp vier Wochen war wegen Protesten vorzeitig beendet worden. Bewohner*innen von Nairab hatten die Schnellstraße M4 mit brennenden Reifen blockiert. Das russische Verteidigungsministerium hatte jedoch erklärt, die Dschihadisten von HTS hätten versucht, Zivilist*innen ‒ darunter auch Frauen und Kinder ‒ als „lebende Schutzschilde“ einzusetzen.

Sämtliche Punkte des Abkommens gebrochen

Am 5. März hatten der türkische Staat und Russland einen Waffenstillstand für Idlib vereinbart. Teil der Bedingungen war die Einrichtung einer gemeinsam patrouillierten „Schutzzone“ und ein Vorgehen der Türkei gegen die mit ihr verbündeten Dschihadistenmilizen wie dem Al-Qaida-Ableger HTS sowie das Ende aller militärischen Aktivitäten. Obwohl seither mehr als ein Monat vergangen ist, erfüllt die Türkei die Bedingungen nicht und nutzt stattdessen die weltpolitische Fokussierung auf die Covid-19-Pandemie, um ihre Stellung in der nordwestsyrischen Region Idlib auszubauen. Mittlerweile ist die Zahl der türkischen Beobachtungsposten in Idlib von anfänglich zwölf auf 57 angestiegen. Insgesamt halten sich rund 29.000 türkische Soldaten in der Region auf. Seit Anfang Februar wurden außerdem mehr als 5.000 gepanzerte Personentransporte, Panzer und Haubitzen in die Region gebracht.