Seit Samstag hält sich eine Abordnung des schwedischen Außenministeriums zu Gesprächen mit der Selbstverwaltung und den Demokratischen Kräften Syriens (QSD) in den Autonomiegebieten auf. Der Delegation gehören unter anderem der Syrien-Sondergesandte Per Örnéus und Thomas Marcus aus der Abteilung für humanitäre Angelegenheiten in Schwedens Außenministerium an. Begleitet wird die Abordnung von Evin Çetin vom Europäischen Friedensinstitut EIP in Brüssel.
Die schwedischen Gäste waren gestern an der Grenze von Verantwortlichen der Abteilung für Außenbeziehungen, dem Schweden-Vertreter der Selbstverwaltung, Şiyar Ali, und dem Verantwortlichen des Kontaktbüros von Sêmalka, Baz Ahmed, in Empfang genommen und nach Qamişlo gebracht worden. Dort fanden unter Ausschluss der Presse Gespräche mit Vertreter*innen der Autonomieverwaltung statt. Wie es bei einer anschließenden Pressekonferenz hieß, wurde bei der Zusammenkunft in erster Linie die sicherheitspolitische Lage in Nordostsyrien erörtert. Der Besuch der Delegation erfolgte nur wenige Tage nach einem Treffen von Schwedens Außenministerin Ann Linde mit ihrem türkischen Amtskollegen Mevlüt Çavuşoğlu in Ankara.
Das Hauptaugenmerk des Treffens in Qamişlo wurde zunächst auf das Internierungslager Hol (auch al-Haul) gelegt, das mit über 65.000 Bewohner*innen, darunter zahlreiche IS-Dschihadisten samt ihrer Angehörigen, eine große Belastung für die Autonomieverwaltung darstellt. Obwohl das Camp auch ausländische Staatsangehörige aus mehr als 50 verschiedenen Ländern beherbergt, liegt die gesamte Last sowohl in wirtschaftlicher und logistischer als auch in sicherheitspolitischer Hinsicht allein auf den Schultern von Nord- und Ostsyrien. Nach wie vor ist kein Land bereit, seine wegen Kriegsverbrechen im Namen des IS internierten oder in den Gefängnissen inhaftierten Staatsangehörigen zurückzunehmen – trotz der Hauptlast der Autonomiegebiete, die bereits im Kampf gegen die Terrormiliz getragen wurde.
Unterstützung beim Umgang mit Binnenvertriebenen und IS-Gefangenen
Per Örnéus und Thomas Marcus sprachen den politischen und militärischen Einrichtungen im Autonomiegebiet ihren Dank für die Bemühungen Nord- und Ostsyriens im Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) aus und sicherten der Selbstverwaltung Unterstützung im Umgang mit den vielen Binnenvertriebenen zu. Auch wurde Hilfe bei der Suche nach einer internationalen Lösung für die IS-Gefangenen signalisiert. Im weiteren Verlauf konzentrierten sich die Gespräche auf die Folgen der andauernden türkisch-dschihadistischen Invasion. Die Abordnung verurteilte die Angriffe der Türkei und ihrer Milizen, die weiterhin Tote, Verletzte und Vertreibungen fordern, mit scharfen Worten. „Wir verlangen den sofortigen Rückzug der türkischen Besatzungstruppen“, sagte Şiyar Ali. Per Örnéus unterstrich die Rolle der Autonomieverwaltung für die Lösung der Syrien-Krise und erklärte, dass nicht nur Schweden, sondern auch viele andere Länder Nordostsyrien am Verhandlungstisch sehen wollen. „Die Funktion der Autonomieverwaltung ist nicht nur regional, sondern auch international von enormer Bedeutung. Vor diesem Hintergrund muss Nordostsyrien die Möglichkeit eingeräumt werden, zur politischen Lösung der Krise beizutragen“, so Örnéus.
Gang zu Gefallenenfriedhof
Am Abend besuchte die schwedische Delegation in Qamişlo in Begleitung von Abdulkarim Omar, Ko-Vorsitzender des Rates für auswärtige Angelegenheiten der Autonomiebehörde, den Friedhof „Şehîd Delîl Saruxan”. In einem persönlichen Gespräch sprach Per Örnéus den anwesenden Angehörigen der dort begrabenen Gefallenen sein Beileid aus. „Die hier begrabenen Menschen haben ihr Leben nicht nur für ihre Heimat, sondern für die gesamte Welt geopfert. Sie sind im Kampf gegen den Terror gestorben. Nicht nur Schweden, wir alle sind ihnen zu tiefstem Dank verpflichtet. Dieser Kampf ist aber noch nicht vorbei. Beim weiteren Widerstand werden wir Nordostsyrien beistehen“, sagte Örnéus. Den Worten des schwedischen Syrien-Gesandten entgegneten die Gefallenenfamilien, dass Erklärungen wie diese zwar die Moral der Bevölkerung stärkten, den Verbrechen der Türkei aber keinen Riegel vorschieben würden. Es müssten endlich praktische Schritte erfolgen, um die türkische Invasion in Nordostsyrien zu beenden.
Per Örnéus legt Blumen für die Gefallenen der Rojava-Revolution nieder
Gespräch mit Kriegsversehrten
Nach dem Friedhofsgang stattete die Delegation dem Zentrum der Föderation der Kriegsversehrten Nord- und Ostsyriens einen Besuch ab. Dabei wurde der Vorschlag unterbreitet, eine Vertretung der Institution in Schweden zu eröffnen, um die Beschaffung von Hilfsmaterialien für die Kriegsversehrten zu vereinfachen. Thomas Marcus ließ durchblicken, das Thema im schwedischen Außenministerium auf die Tagesordnung zu setzen.
Zentrum der Kriegsversehrtenföderation
Besuch im Waşokanî-Camp
Am Sonntag hielt sich die Abordnung für einige Stunden im zwölf Kilometer von Hesekê entfernt liegenden Camp Waşokanî auf, um die Situation der Binnenflüchtlinge aus nächster Nähe zu inspizieren. Das Lager beherbergt inzwischen mehr als dreizehntausend Menschen, die im Zuge der Invasion von Serêkaniyê (Ras al-Ain) und Girê Spî (Tall Abyad) aus ihren Wohnorten vertrieben wurden. Örnéus zeigte sich empört darüber, dass internationale Menschenrechtsorganisationen keine Hilfe leisten und die Menschen in Waşokanî und den anderen Camps in der Autonomieregion fast ausschließlich von lokalen Institutionen betreut werden. „Schweden ist bereit, die zuständigen Organisationen der Vereinten Nationen für die Vertriebenen in dieser Region finanziell zu unterstützen“, sagte Örnéus. Momentan hält sich die Delegation in Camp Serêkaniyê auf.