Nach dem Angriff und der Okkupation Efrîns durch den türkischen Besatzerstaat im Januar 2018 war die dortige Bevölkerung gezwungen, ihre Siedlungsgebiete zu verlassen und sich in den Regionen Şehba und Şerewa niederzulassen. Doch trotz aller Schwierigkeiten haben die Menschen ganz und gar nicht aufgegeben und das demokratisch-kommunale Zusammenleben aus eigenen Kräften und mit eigenen Mitteln wiederaufgebaut. Einerseits kämpfen sie für die Rückkehr nach Efrîn und andererseits versuchen sie rund um Schulbildung, Gesundheit, Kommunen und Räte ein basisdemokratisches, kommunales System aufzubauen.
Die Lehrerinnen und Lehrer arbeiten unter dem Dach des Bildungskomitees für eine demokratische Gesellschaft (Komîteya Perwerdeya Civaka Demokratîk, KPCD) trotz aller Widrigkeiten weiterhin daran, den Kindern eine gute Ausbildung zu geben. Nachdem im ersten Jahr der Unterricht zwei Monate lang in Zelten stattgefunden hatte, wurde im darauf folgenden Jahr ein Teil in Zelten und ein Teil in zerstörten Schulen unterrichtet. Während der Sommerpause bildeten sich die Lehrkräfte in selbst gegründeten Akademien, Fach- und Schulmaterialseminaren weiter.
Der Ko-Vorsitzende der KPCD, der Lehrer Hamid Rısto, sprach über die Bildungsarbeit in Şehba, die erreichten Vorbereitungen der Lehrerschaft während des Sommers und den Bedarf für das dritte Schuljahr. Rısto erklärte, dass sie im ersten Jahr ihrer Ankunft bei Null mit den eigenen geringen Möglichkeiten angefangen hatten. Er unterstrich dies mit den Worten: „Das Ziel von uns, der KPCD, ist es, unsere Schüler noch besser auszubilden. Auch unser Vorsitzender Apo [Abdullah Öcalan] hat mehrfach die Wichtigkeit von Bildung unterstrichen. Natürlich ist für jede Gesellschaft die Bildung sehr wichtig. Aber für das kurdische Volk ist Bildung weitaus wichtiger. Wir, das kurdische Volk, sind seit Jahrhunderten regelrecht eingeschläfert worden. Und wenn wir uns jetzt nicht in unserer eigenen Ideologie, Philosophie, kurzum in allen Bereichen bilden, werden wir auf keinen Fall Erfolg haben. Denn wenn ein Volk kein sicheres Bildungssystem schafft, dann hat es keine Zukunft."
Das syrische Regime hat noch nicht einmal die Lehrbücher durchgelassen
Hamid Risto betonte, dass das Bildungskomitee für eine demokratische Gesellschaft nach dem Verlassen von Efrîn sehr große Schwierigkeiten hatte: „In der Region Şehba gab es keine Schule und keine Bücher. Die vorhandenen Schulen hatten die dschihadistischen Milizen zerstört. Daher waren wir am Anfang dazu gezwungen, in den Lagern Schulen zu schaffen. In den Unterrichtszelten gab es noch nicht einmal Tische und Stühle. Die Schülerinnen und Schüler mussten den Unterricht auf dem Boden sitzend verfolgen. Mit unserem Vorstand und der Hilfe der Bevölkerung haben wir es geschafft, den Unterricht auf niedrigem Niveau aufzunehmen. Da es keine Lehrbücher gab, haben wir den Lehrern das Material als pdf-Dateien gegeben, die diese dann mit Hilfe ihrer Smartphones für den Unterricht nutzen konnten. Weder die Lehrer noch die Schüler hatten Lehrbücher.
Aus Cizîrê wurden uns Lehrbücher geschickt, aber das syrische Regime fing diese an den Checkpoints ab und genehmigte die Weitersendung nicht oder verzögerte diese. Wenn mal eine Sendung ankam, dann war die Lieferung dieser dringend benötigten Bücher unvollständig. Wir haben uns auch auf die wichtigsten Bedürfnisse der Lehrerschaft konzentriert. Die Grundstufenlehrer*innen erhielten Schulungen zum Thema Unterrichtsmaterialien. Für die Lehrer*innen der Mittelstufe und Oberstufe wurden Fachseminare eingeführt. Des weiteren wurden zwei Akademien eröffnet, in der Seminare über Ideologie, Philosophie und Theorien stattfanden. Jetzt sind unsere Lehrer*innen für das neue Bildungsjahr vorbereitet. Sie können in verschiedenen Jahrgängen unterrichten.
Wir arbeiten auch an der Erstellung eigener Bücher, aber haben dieses Ziel noch nicht erreicht. Zudem sind wir in den Vorbereitungen, den Schreib- und Schulbedarf zu decken. Unser Ziel ist es, den Familien keine Last aufzubürden. Wir wollen die Hefte, Stifte, Bücher und auch die Schulkleidung selber beschaffen. Auf diese Weise fallen die Schüler ihren Familien finanziell nicht zur Last. Wir wollen auch die Bekleidung für Grund-, Mittel- und Oberstufe selbst anfertigen, uns fehlen jedoch hierzu die finanziellen Mittel. Unser einziger Wunsch ist eine finanzielle Unterstützung durch unsere in Europa oder anderen Orten lebende Bevölkerung. Wir, die KPCD, haben sehr hohe Ausgaben, die wir aber nicht decken können. Wir wünschen uns von unserem Volk Hilfe für unsere Schulen.“
Es kommt keine Unterstützung von Hilfsorganisationen
Sabah Cirnes, Mitglied der Schulverwaltung in Ehrez, erklärte, dass in der ersten Zeit trotz aller Schwierigkeiten Lehrer*innen und Schüler*innen das erste Schuljahr sehr motiviert begonnen haben und fügte hinzu: „Das erste Jahr, nachdem wir nach Şehba geflohen waren, hatten wir es natürlich besonders schwer. Denn unsere Lehrer und Lehrerinnen waren überall hin verstreut. Wir hatten keinen Kontakt untereinander. Nach und nach haben wir uns zusammengefunden. Es wurden Kommunen gegründet. Lehrerinnen und Lehrer haben sich vor Ort gesammelt und als Gruppe die Arbeit aufgenommen. Die KPCD hat sich neu formiert. Räte sind gegründet worden und jedes einzelne Dorf hat begonnen, sich zu organisieren. Danach haben wir begonnen, die Schüler zu sammeln.
Gleichzeitig haben wir auch versucht, das Lehrmaterial zusammenzutragen. Zu der Zeit hatten wir trotz der widrigen Voraussetzungen die Schüler gut sammeln können. Nicht einmal wir selbst hatten das erwartet. Auf diese Weise waren zwei Monate vergangen. Im zweiten Lehrjahr unterrichteten die Lehrerinnen und Lehrer und bildeten sich gleichzeitig selbst weiter. In diesem Sommer haben während der Sommerpause die Seminare für die Lehrkräfte begonnen. Zwei Akademien wurden eröffnet. Daher sind wir dieses Mal auf das neue Schuljahr sehr gut vorbereitet und werden erfolgreicher beginnen können.
In der kommenden Woche wird die Verteilung der Lehrkräfte beginnen. Diejenigen, die ihren Einsatzort bereits kennen, sind schon dort. Derzeit finden weiterhin die Vorbereitungen für das Schuljahr statt und die Anmeldung der Schüler werden aufgenommen. Unsere derzeit größten Schwierigkeiten betreffen den Schulbedarf und auch die Sicherheit der Schulen muss gewährleistet werden, da diese alt und zerstört sind. Wir haben mit eigenen Mitteln alles erdenkliche versucht, aber es ist nicht ausreichend. Wir haben bisher keinerlei Hilfe von Hilfsorganisationen bekommen. Sie haben es uns versprochen, aber niemand hat diese Versprechen bisher eingelöst.“